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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No79 / 28. April 2019

Höhen und Tiefen bei Ferch-Lienewitz – Teil 2: Lienewitzer Seenrinne

Nach dem überwältigenden Ausblick vom Wietkikenbergturm (s. MR No78) und einer besinnlichen Pause geht es weiter, also wieder herunter, quasi aus himmlischen in irdische Gefilde. Und das mit Schmackes.

Talfahrt aus den Fercher Bergen

Auf Talfahrt …

Vom fast 125 m hohen bzw. 1250 m hoch gefühlten Wietkikenberg geht es nun in die Lienewitzer Seenrinne, die ungefähr auf 40 m NHN liegt. Unser Abstieg bzw. unsere Talfahrt macht damit fast 850 dm oder gefühlte Höhenmeter aus. Für Brandenburger Verhältnisse ist das schon spektakulär zu nennen.

Erstmal geht es aus den Fercher Bergen zurück zum Bahnhof Ferch-Lienewitz, dort folgen wir der Landstraße etwa 460 m in östlicher Richtung und biegen hinter der Försterei links – also nach Norden – ab. Und schon befinden wir uns auf der idyliisch anmutenden Kopfsteinpflasterstraße nach Lienewitz.

 

Straße nach Lienewitz

Verborgener Karinchensee

Nach etwa 350 m kommen wir am linkerhand liegenden, recht kleinen Karinchensee vorbei, der allerdings durch einen moorigen Bruchwaldgürtel für uns unerreichbar bleibt. Der weitgehend verlandete und bis zu 2 m tiefe Restsee bildete 1967 samt umgebendem Bruchwald den Ursprung des inzwischen stark erweiterten Naturschutzgebietes (NSG) „Lienewitz – Caputher Seen- und Feuchtgebietskette“, das wir heute bis Caputh durchradeln wollen. Nach nur weiteren 300 m treffen wir – wiederum auf der linken Seite – auf den Zugang zum Kleinen Lienewitzsee, dem wir folgen und auf dem wir schon bald mit einem schönen Ausblick auf einen märkischen Waldsee belohnt werden.

Kleiner Lienewitzsee

Der Name Lienewitz bezieht sich auf das slawische oder polabische Lin = Schleie, womit wir demnach vor einem Schleiensee stehen. Hier handelt es sich um den kleineren der beiden Lienewitzer Seen, der dafür mit 8 Metern allerdings etwa 2 m tiefer ist als der fast dreimal so Große² Lienewitzsee. Am Südwestufer des kleineren Sees befindet sich eine sehr sehenswerte, uralte Stieleiche mit gewaltigem Stammumfang. Ein gelbes Schildchen mit stilisierter schwarzer Eule zeigt uns im Namen des Landrats auf, dass es sich hier um ein eingetragenes Naturdenkmal handelt. Ich könnte mich jetzt bemühen, mit vielen Worten den schönen Natureindruck zu beschreiben, aber ich schweige lieber und lasse dafür die Fotos „sprechen“.

Alteiche am Kleinen Lienewitzsee

Himmlische Alteiche

… nach Lienewitz

Bevor wir am Nordostende des Sees zur kleinen Siedlung namens Lienewitz kommen, können wir einen ersten Durchblick auf den Großen Lienewitzsee ergattern. Aber erstmal geht es in die kleine Siedlung, die neuzeitlichen Ursprungs ist und sich aus einem im Jahr 1823 stillgelegten Teerofen entwickelt hat. Vom Beginn des 18. Jahrhunderts bis zu seiner Stilllegung dürfte dieser „Ofen“ beträchtliche Mengen an Kiefern „verspeist“ und so zu einer lokalen Entwaldung/ Verwüstung geführt haben. Von der Luftbelastung ganz zu schweigen. Die heutige Idylle lässt davon nichts mehr erahnen.

Anglerheim Lienewitz

Am Straßenknick im Örtchen stoßen wir auf das interessanteste Gebäude im Ort, das heutige DAV Anglerheim. Das unter Denkmalschutz stehende Gebäude wurde 1908 als Gaststätte Haus am Lienewitzsee errichtet und zeitweilig auch als Fischerhütte bezeichnet. Es handelt sich um eines der letzten historischen Ausflugslokale der Kaiserzeit, die in der Gegend erhalten geblieben sind. Die Besonderheit des kleinen Fachwerkbaus ist die Füllung der Gefache mit dünnen Rundhölzern, entsprechend sollen auch die Innenwände angelegt sein.

Auch wenn der heutige Ort erst im 19. Jahrhundert (neu) entstanden ist, hat Lienewitz doch mittelalterliche Wurzeln. Am Nordwestufer des Großen Lienewitzsees wurden slawische und frühdeutsche, also mittelalterliche Siedlungsspuren freigelegt. Für diese später wüst gefallene Siedlung ist der Name Lege Lienewitz (= Nieder Lienewitz) überliefert. Und anstelle der heutigen Ortslage befand sich die frühdeutsche Siedlung Hohen (Ober) Lienewitz, die später ebenfalls wüst fiel. Die Gründe für das Wüstfallen beider Siedlungen sind (mir) nicht bekannt.

Am Großen Lienewitzsee

Das Südufer des Großen Lienewitzsees ist etwa zur Hälfte durch einen Weg erschlossen, der sehr schöne Ausblicke auf den See ermöglicht. Hier sollen wieder Fotos für sich sprechen.

Großer Lienewitzsee

An der Ostspitze des Sees findet sich eine kleine Badestelle. Etwa 160 m nordwestlich der Badestelle führt ein Graben aus dem See heraus. Bei hohem Wasserstand entwässert der See hier in Richtung Caputher See, was in den letzten Jahrzehnten immer seltener geworden ist. Früher war das Wasserdargebot hier so hoch, dass im 17. Jahrhundert davon sogar eine Wassermühle betrieben werden konnte. Heute ist das unvorstellbar, wie auch ein Blick in das östlich des Sees sich erstreckende Wurzelfenn zeigt. Das noch in den 1960er Jahren von nassem bzw. überstautem Erlenbruch geprägte Fenn ist heute weitgehend trockengefallen. Und das schon im Frühjahr.

Am Wurzelfenn

Goldschatz Caputh

Aber lassen wir uns die Stimmung nicht verderben und fahren wir weiter zum Caputher See. Hier irgendwo im umgebenden Lienewitzer Forst bei Caputh wurde übrigens ein bedeutender Goldschatz aus der Bronzezeit (11. Jh. vor der Zeitrechnung) gefunden. Unter einem Steinhaufen fand man Topfscherben, einen goldenen Becher, 2 goldene Armbänder und 2 Armspiralen aus Golddraht. Im Berliner Museum für Vor- und Frühgeschichte finden sich nur Nachbildungen des Schatzes, die Originale wurden nach 1945 als Kriegsbeute ins Puschkin-Museum nach Moskau verbracht. Ist das nicht auch Beutekunst? Das Beutemachen müsste doch allmählich tabu sein. Trotz (erheblicher) deutscher Kriegsschuld sollte doch grundsätzlich – also auch hier – gelten, dass Kulturschätze dorthin gehören, wo sie ursprünglich gefunden wurden, damit sie im räumlichen Kontext ihrer kulturhistorischen Wirkung gezeigt und verstanden werden können (außer es gibt plausible und einvernehmliche Vereinbarungen, die anderes festlegen). Tja, könnten die stramm-nationalen AFDler doch mal bei ihrem guten Freund Putin vorstellig werden, damit auch der eine 180°-Kulturwende macht und die Rückführung dieser Schätze nach Deutschland ermöglicht. Obwohl, gegen Beutemachen scheinen die AFDler ja keine grundsätzlichen Bedenken zu haben (s. Putins neueste Beutestücke Krim, Donezk und Luhansk). So sind wir bei Lienewitz (gedanklich) in den tiefsten Tiefen verquerer Partei- und Machtpolitik angelangt.

Caputher See

Bleibt uns noch die Fahrt über den Caputher See nach Caputh, wobei wir natürlich nicht über, sondern um den See herum fahren. Vom Wurzelfenn sind es etwa 1,5 km bis zum gut 48 ha großen Caputher See. Während der südliche Teil des Sees mit seinen breiten Röhrichtbeständen einen sehr naturnahen Eindruck vermittelt, wird der Nordteil bereits von der Uferbebauung der Ortschaft Caputh geprägt. Die Zivilisation hat uns wieder.

Blick auf Caputh

Der Name Caputh ist mal wieder slawischen Ursprungs und bedeutet „Huf“. Heimatforscher vermuten einen Bezug zur angeblich hufförmigen Gestalt des Caputher Sees. An Fantasy fehlt es diesen Herrschaften ja wirklich nicht. Ich frage mich, wie soll so ein Slawe vor 1000 Jahren ohne Karte und Luftbild eine Vorstellung von der Gestalt des Sees gehabt haben? Abgesehen davon, dass ich in der (heutigen) Gestalt des Sees (auf Karten und Luftbildern) nun wirklich keinen „Huf“ erkennen kann. Aber nach ein paar Bierchen mag das anders sein …

Bis zum romantischen Kleinbahnhof in Caputh sind es nochmals etwa 2,5 km, von dort geht es mit der RB 23 dann wieder zurück nach Potsdam (wenn die DB den Verkehr nicht wieder kurzfristig eingestellt hat, um das Personal auf anderen Strecken einzusetzen). Naturlich bietet auch Caputh selbst einiges Sehenswerte – wie das Schloss Caputh – und sich damit für eine genauere Erkundung an.

Mehr Lienewitzer Seenrinne auf FLICKR

Post Scriptum

Die ganze Tour vom Bahnhof Ferch-Lienewitz über Wietkikenberg, Lienewitzer Seen, Wurzelfenn und Caputher See bis zum Bahnhof Caputh hat eine Länge von knapp 13 km. Das ist natürlich auch wandernd zu schaffen.