Schloss Reckahn, Parkseite
Hochaktuell: Vernunft fürs Volk
Erfahrung 1 – Reckahn (8). Wir schreiben das Jahr 2015. Mark Radler erradelt den südlichen Außenbereich des Havellandes und erkundet gerade das Örtchen Reckahn im Planetal.
Enttäuschte Erwartungen und überraschende Erkenntnisse
Nach meiner vermeintlichen Burgwallerkundung im dustern Reckahn (s. MR No12) fahre ich schleunigst zurück zum Schloss, wo sich das Rochow-Museum befindet. Hier hoffe ich auf Informationen zum Burgwall. Zunächst habe ich Glück, das Schloss- bzw. Rochow-Museum ist tatsächlich geöffnet, was keine Selbstverständlichkeit in diesem Lande ist. Schnell muss ich aber begreifen, dass ich hier nichts über den Burgwall „Duster Reckahn”, nichts über die Anfänge dieser Ortschaft erfahren werde. Das Rochow-Museum ist nämlich kein Heimatmuseum im herkömmlichen Sinn, sondern ein Themenmuseum. Wie könnte es anders sein, auch hier geht es mal wieder um eine Episode preußischer Geschichte. Der Burgwall „Duster Reckahn” muss also auf heimische Recherchen warten.
Ohne Verfallsdatum: Ein Glaubensbekenntnis der gesunden Vernunft
Etwas enttäuscht lasse ich mich dennoch auf die 2001 eingerichtete Ausstellung „Vernunft fürs Volk” ein – und bin schnell in ihren Bann gezogen, das heißt, vor allem in den Bann der hier einst wirkenden Menschen, insbesondere dieses Friedrich Eberhard von Rochow, der das Anwesen im Jahre 1760 übernommen hatte und von hier aus wichtige agrarische und vor allem pädagogische Reformen vorantrieb. Zu den besonderen Verdiensten dieses F. E. von Rochow zählen seine Landschulen und sein Buch „Kinderfreund”, ein Lehrbuch zum Gebrauch in Landschulen, das damals in ganz Europa Beachtung fand. Ich will hier gar nicht weiter ausholen, denn wen das interessiert, der kann sich das auf der Webseite des Museums – oder noch besser gleich im Museum selbst – zu Gemüte führen (http://www.rochow-museum.de/). Anmerkungen zum 1726-29 errichteten Barockschloss erspare ich mir an diese Stelle aus den gleichen Gründen.
„Märkischer Pestalozzi“ oder „schwyzerischer von Rochow“, das ist hier die Frage
Für mich bleibt vor allem die Vorstellung faszinierend, dass dieser abgelegene kleine Ort im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts zu einer Art pädagogischem Mekka wurde und erstaunliche Besucherströme – aus aller Herren Länder – an die kleine Plane zog. Hier wirkten aufklärerische Menschenfreunde, die Bauernkinder als vernünftige Geschöpfe betrachteten und so auch behandelten, was damals zukunftsweisend und noch für lange Zeit nicht selbstverständlich war. Nicht zufällig wird dieser Friedrich Eberhard von Rochow mitunter als „märkischer Pestalozzi” bezeichnet. Allerdings wirkte er vor Pestalozzi, weshalb man diesen eher den „schwyzerischen von Rochow” nennen könnte.
Wie dem auch sei, dieses Erlebnis zeigt einmal mehr, dass man erfreulicherweise nie auslernt, vorausgesetzt man bleibt für neue und überraschende Eindrücke und Erkenntnisse offen. Trotz meiner ersten Enttäuschung, dass ich im Rochow-Museum nichts über den Burgwall bei „Duster Reckahn” erfahren habe, bin ich mit dem Museum vollauf „versöhnt”. Denn weniger, die Konzentration auf ein Thema, ist auch hier viel mehr. Alles andere würde hier nur ablenken, verwischen, entwerten, banalisieren. Hier vermisse ich kein Heimatmuseum im üblichen Stil, das ja nicht selten nur eine Anhäufung mehr oder weniger zufällig angefallener Ausstellungsstücke ist, über die nur noch der Museumsleiter einen – nicht selten recht eigensinnigen – Überblick hat. Wobei ich einräumen möchte, dass ich solchen Museen wegen ihrer Skurrilität durchaus etwas abgewinnen kann. Hier im Rochow-Museum ist das aber ganz anders. Kein Raum ist überladen, alles ist sinn- und stilvoll auf den Punkt gebracht. Dazu wird man multimedial – und trotzdem sehr einfühlsam – ins 18. Jahrhundert gezogen und mit – noch immer gültigen – Gedanken und – noch immer modernen – Lernmethoden aus dem 18. Jahrhundert verblüfft. Aber man nehme sich die Zeit zu hören, zu sehen, zu denken und zu staunen. Mark Radler kann dann einen Besuch dieses Museums nur wärmstens empfehlen (das Museum ist mit seinem „Spielbereich” auch für Kindergruppen und Schulklassen gut geeignet). Und abschließend sei eingeräumt, dass sich wohl auch ein Besuch des Schulmuseums Reckahn lohnen dürfte, wird hier doch u.a. die Arbeit des für seine Zeit sehr fortschrittlich und menschenfreundlich gesinnten Pädagogen und Dorfschullehrers Heinrich Julius Bruns gewürdigt, der die Ideen des „märkischen Pestalozzi” aufnahm, weiterentwickelte und praktisch umsetzte. Für beide Museen kann eine gemeinsame – vergünstigte – Eintrittskarte erworben werden. Also, Leute, auf nach Reckahn!