Blick am Weinberg
Bewahrtes in Alt-Göttin
Erfahrung 1 – Göttin (4). Wir schreiben das Jahr 2015. MARK RADLER erradelt den südlichen Außenbereich des Havellandes und erkundet das vielfältige Göttin, einen Ortsteil im Süden der Stadt Brandenburg.
Fachwerk, Adler, Berg und Storchennest
Nachdem ich das bewehrte „Neu-Göttin“ kennengelernt habe, fahre ich über die Plane ins gute, alte Göttin zurück, dort die Göttiner Schulstraße hoch und stoße unter der Nummer 3 auf eine weitere Sehenswürdigkeit, eine alte Stallscheune aus Fachwerk und Holz. Das ist ein sehr ungewöhnlicher wie auch attraktiver kleiner Bau. Und in recht gutem Zustand scheint er auch. Später erfahre ich, dass die kleine Scheune eingetragenes Baudenkmal ist und aus der Mitte des 18. Jahrhunderts stammt, also um das Jahr 1750 erbaut wurde. Das ist die Regierungszeit des „großen” Friedrich. Ein stattliches Alter für so ein kleines Gebäude. Diese Bauart findet man im Lande selten. Im Denkmalverzeichnis steht: eingeschossiger Fachwerkbau mit vorgekragtem, verbrettertem Drempelgeschoss.
Was ist nur ein Drempelgeschoss? Drempel, das Wort gefällt mir. Es gibt so Wörter oder Worte (was ist da eigentlich der Unterschied?), die gefallen mir auf den ersten Blick – oder besser: Ton. Drempel gehört zweifellos dazu. So ein Drempel. Das klingt herrlich. Was Drempel bedeutet, werde ich mal später klären. Zurück zur Scheune: da behaupte noch einer, in Göttin gibt’s nichts zu sehen.
Weiter westlich, am Paterdammer Weg, zeugt ein Schild „Zum Roten Adler” von einer einst hier vorhandenen Lokalität. Da kommt mir ein Gedanke: warum gibt es im Land des roten Adlers, der genau genommen ja ein Rotmilan sein müsste, eigentlich so viele „Schwarze Adler”, aber kaum „Rote Adler”? Und die wenigen „Roten” gehen dann auch noch Pleite. Fragen über Fragen. Rätsel der Provinz. Na ja, so lange uns nur „Braune Adler” erspart bleiben …
Am Südwestrand der historischen Ortslage stoße ich auf die kleine Straße „Am Weinberg“ und biege sofort in sie ein. Von Wein ist hier natürlich nichts mehr zu sehen, aber von der kleinen Erhebung hat man einen wirklich hübschen Blick auf die noch sehr dörflich-ländlich wirkende Kehrseite Göttins, wobei Kehrseite bitte nicht abwertend zu verstehen ist, diese ist hier viel eher die Schmuckseite, ganz besonders, wenn ich an das verrammelte Neu-Göttin denke.
Sogar ein besetztes Storchennest ist hier zu sehen.
So langsam sollte ich aber weiter, dabei könnte ich hier, glaube ich, noch Tage verbringen und immer weiter Neues entdecken. Aber das gilt für die kommenden Orte sicher auch. So nehme ich Abschied und verneige mich im Geiste: Göttin, du hast mir viel Freude bereitet.
Post Scriptum
Zum Abschluss noch ein Wort zum Ortsnamen. Natürlich hat der nichts mit irgendwelchen weiblichen Gottheiten zu tun, sondern soll slawischen Ursprungs sein und so viel bedeuten wie: „Siedlung eines Mannes namens Chota”. Da kann man sich gender-emanzipatorisch nun wirklich nicht beklagen: aus dem Manne namens Chota wurde eine Göttin. Und auch aus anderen Gründen sollten wir froh sein, dass der Ort nicht wirklich so heißt: „Siedlung eines Mannes namens Chota”. Stelle man sich mal vor, was man da für breite Ortsschilder bräuchte. Da wären ja glatt noch Ortschildumgehungsstraßen nötig.