Schlosspark Reckahn
Eine Alternative für Deutschland
Erfahrung 1 – Reckahn (9). Wir schreiben das Jahr 2015. Mark Radler erradelt den südlichen Außenbereich des Havellandes. Die Erkundung des Örtchens Reckahn im Planetal nähert sich ihrem Ende.
Völlig losgelöst, völlig schwerelos
Nach dem Besuch des Rochow-Museums (s. MR No13) empfängt mich draußen eine über alle Backen strahlende Sonne, was meine von der Austellung Vernunft fürs Volk erleuchtete Stimmung auf sehr passende Weise widerspiegelt. Was ist das aber auch für ein berauschender Anspruch: Vernunft fürs Volk. Das wäre doch gerade heute eine wirklich überzeugende Alternative für Deutschland.
Gelöst und heiter wandele ich durch den sonnendurchfluteten Schlosspark, der am Rande der kleinen Plane liegt und öffentlich zugänglich ist. Für Augenblicke meine ich den Geist dieses Ortes, den viel zitierten genius loci zu verspüren, ja fast greifen zu können. Was für ein wunderbares, was für ein erhebendes Gefühl, mir scheint, dass ich durch den Park zu schweben beginne. Mir wird erst jetzt so richtig bewusst, was das gerade für ein seltener Moment ist, denn wann erlebt man das schon – nach einem Museumsbesuch!? Sicher, die Sonne spielt gerade sehr brav mit – und strahlt.
Tiefer Fall und harte Landung
Da bemerke ich, dass ich hier im Park nicht alleine bin. Aus dem hinteren Teil kommen mir drei Schülerinnen der Bauart Oberstufe entgegen. In meiner guten Stimmung nehme ich leicht irritiert deren grimmige oder eher angewiderte Gesichter wahr, wozu auch sogleich ätzende Wortfetzen zu mir herüber wehen: Fuck, Scheiße, verfickt, verfickte Bäume, verfickter Park, verfickter Scheiß… Verfickt und zugenäht, bin ich hier in eine Reality Show von RTL 2 geraten? Daraufhin zeigt die Schwerkraft bei mir umgehend ihre Wirkung, mein Schwebezustand geht abrupt zu Ende, meine beschuhten Füße prallen hart auf den verdichteten Weg. Paff, ich bin wieder auf der Erde angekommen. Danke Mädels, danke, dass ihr mich auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt habt. Dazu fällt mir die spöttische Bemerkung meines Vaters ein, die er in solchen Momenten gerne von sich zu geben pflegte: „Ja, ja, die Garanten der Zukunft.“ Das ist ein Weilchen her – und das Abendland ist trotzdem noch nicht untergegangen. So wollen wir die Hoffnung nie aufgeben.
Abgang
Ziemlich ernüchtert stelle ich fest, dass es das mit Reckahn dann wohl war, zumindest für den heutigen Tag. Mir gehen nochmal die vielfältigen Eindrücke durch den Sinn, die ich hier aufgesammelt habe: Solarpark, Pyramide, Heerlager, Minibunker, Altes Gutshaus, Burgwall und das Schloss mit Rochowmuseum. Nicht zu vegessen der schöne Park. Ich bin wirklich beeindruckt, ja, hellauf begeistert von diesem ganzen verfickten Scheiß. Und dabei habe ich noch längst nicht alles gesehen. Für Burgwall und Schulmuseum werde ich bestimmt noch einmal wiederkommen. Versprochen.
Auf nach Meßdunk und Krahne.
Post Scriptum
Noch ein Wort zum Ort. Auch der Ortsname Reckahn soll slawischen (polabischen) Ursprungs sein und nach dem Ortsnamenbuch von Reinhard Fischer „Siedlung eines Mannes namens Rykan” bedeuten. Jan Feustel erzählt uns in seinem lesenswerten Büchlein über das Baruther Urstromtal allerdings, dass der Name vom slawischen „reka” abstamme und „Fluss”, hier also „Ort am Fluss” bedeute, wobei die Plane ja nicht gerade den Eindruck eines Flusses macht, sondern eher den eines Baches oder Fließes. Wie dem auch sei, das ursprüngliche – slawisch-frühdeutsche – Reckahn, das ich hoffentlich bei einem weiteren Besuch noch genauer erkunden werde, lag jedenfalls etwas abseits vom heutigen Reckahn, nämlich in der Nähe des uns bekannten Burgwalls, also über 1 km nordwestlich des heutigen Ortes, und wurde wahrscheinlich Anfang des 13. Jahrhunderts aufgegeben. Die wüst gefallene Dorfstelle wurde dann später als Duster Reckahn bezeichnet. Das heutige Reckahn wurde vermutlich erst im Laufe des 13. Jahrhunderts (neu) gegründet und 1351 erstmals als Ort urkundlich erwähnt.