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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No78 / 14. April 2019

Höhen und Tiefen bei Ferch-Lienewitz – Teil 1: Wietkikenberg

Zunächst sei gleich festgestellt: Nee, Mark Radler ist wirklich kein typischer Bergradler, also keiner von den vor allem von Wanderern so gefürchteten Mountain-Bikern, aber so ein Berg ist schon ein reizvolles Tourenziel.

Im Fercher Bergland

Das ist doch die Höhe!

Die montan besser gestellten Südländer machen sich ja gerne über uns Berlin-Brandenburger lustig, wenn wir hier von Bergen sprechen, die für sie eher Hügel sind, wie jener Schwabe, der süffisant anmerkte, dass im Brandenburgischen ja ein Rad schon mit einer Eingangschaltung „überqualifiziert“ sei. Trotzdem fährt er hier mit seinem 15-Gängerad durch die Jejend. Na ja, lassen wir uns einfach nicht verspotten, denn wir Märker wissen um unsere montanen Stärken, denn alles ist nicht nur in der Theorie relativ, hier sei auf Albert Einstein verwiesen, sondern insbesondere in der Praxis. Und hier verweise ich auf den Wanderbekannten Peer Pedes, der durch eigene Studien herausfand, dass es außer der „gefühlten Temperatur“ auch eine „gefühlte Höhe“ gibt. Und danach gibt es in Brandenburg tatsächlich gefühlte Tausender, ja sogar einige wenige 2000er.

Gefühlte Höhe: Nach Peer Pedes versteht man unter der gefühlten – oder auch relativen – Höhe die subjektiv wahrgenommene Umgebungshöhe, die sich aufgrund verschiedener Faktoren von der real gemessenen Terrainhöhe mehr oder weniger stark unterscheiden kann. Es handelt sich um ein biometrisches Maß für die altitudische Wahrnehmung und umfasst das gesamte Spektrum individueller bis kollektiver Höhen- und Weitenwahrnehmungen, die sich – in Abhängigkeit vom jeweiligen Sensibilitätsmaß des Wahrnehmenden –  durch einen umgekehrt disproportional in Relation gesetzten Flachland – Montanindex als gefühlte Höhenmeter (gHm) ableiten lassen. Nach aktuellen Berechnungen von Peer Pedes gilt für Brandenburg übrigens der DM-Index, das heißt, die realen Höhenwerte sind mit 10 zu multiplizieren.

Und ein solcher, nämlich ein gefühlter 1000er, wurde als erstes Etappenziell der zweiten Mark Radler-Jahrestour erwählt. Wobei es sich hier nicht um einen beliebigen Tausender, sondern um die höchste natürliche Erhebung im Berliner Umland überhaupt wie auch in der Zauche handelt. Der erwählte Wietkikenberg bei Ferch erreicht immerhin eine Höhe von 1247 gefühlten Höhenmetern NHN (gHm nach P.P.) oder vereinfacht ausgedrückt: 1247 dm NHN.

Anfahrt mit Restrisiko

Bahnhof Ferch-Lienewitz

Ausgangspunkt der Tour war der Bahnhof „Ferch-Lienewitz“, der mit der RB 23 vom Hauptbahnhof Potsdam in nur 15 Minuten zu erreichen ist. Aber Vorsicht, die RB 23 gehörte in der jüngeren Vergangenheit zur Personalreserve der DB, was heißt, die Linie wurde 2018 von der Deutschen Bahn bei Personalmangel mehrfach einfach eingestellt, was an sich ein Riesenskandal war, aber die DB hat ihre Kunden und die Öffentlichkeit mittlerweile so tief in fatalistische Gefilde getrieben, dass kaum noch jemand aufmuckt. Wenn die RB 23 fährt, dann zeichnet sie sich allerdings durch eine wirklich romantische Nebenbahnatmosphäre aus. Jedoch muss an dieser Stelle noch eine weitere Warnung ausgesprochen werden, denn der Bahnhof Ferch-Lienewitz ist nur ein Bedarfshalt, und daher muss der Fahrgast seinen Haltewunsch dem Zugführer per „Haltetaste“ kundtun. Leider verfügen die auf der RB 23 eingesetzten Talent 2-Triebwagen über keine ausgewiesenen Haltewunschtasten, was immer wieder zu hektischer Aufregung unter „unwissenden“ Fahrgästen führt. Denn nur die Alltagsgäste wissen, dass hier die ausgewiesene „Sprechtaste“ entsprechend umfunktioniert wurde. Nur leider findet sich fast nie ein Hinweis dazu. Nennt man das kundenfreundlichen Service? Nur ein einziges Mal habe ich bisher erlebt, dass ein von Hand bekritzelter Klebebandstreifen notdürftig auf die „neue“ Funktion der Sprechtaste als Haltewunschtaste hinwies.

Trotzdem sogleich in Urlaubsstimmung

Beim Aussteigen in Ferch-Lienewitz versetzt einen der kleine, idyllisch anmutende Bahnhof sogleich in Urlaubsstimmung. Das ist schon mal ein sehr guter Auftakt. Nachdem der Talent Richtung Michendorf abgerauscht ist und die Schranken geöffnet wurden, geht es über die Gleise und wir tauchen direkt dahinter in die Zaucher bzw. Fercher Bergwelt ein. Am Weg verweist ein Richtungsschild auf den 1,7 km entfernten Aussichtsturm Wietkiekenberg. Bereits kurz hinter dem Bahnhof beginnt ein recht steiler Anstieg, der bis zum Wietkikenberg immerhin fast 650 gHm/ dm beträgt. Selbst geschoben ist das eine große – Schweiß treibende – Radlerherausforderung.

Der Wietkiekenberg liegt im nordöstlichen Endmoränenzug der Zauche, die vor rund 20.000 Jahren während der Weichseleiszeit entstanden ist. Der gesamte Höhenzug wird derzeit leider weitgehend von monotonen Kiefernforsten geprägt, allerdings finden sich am Fuß des Bergmassivs noch lichtere und strukturreichere Forstbestände, die sich durch zahlreiche markige Eichensolitäre und einige wegbegleitende, mitunter auch alleenartige Eichenreihen vom üblichen Waldeinerlei der Zauche positiv abheben.

Öde Kiefernmonotonie

Es geht auch anders

Der trockene Sandboden erleichtert mir das Hochschieben des Rades auf – hoffentlich lichte – Zauchehöhen leider in keiner Weise. Aber, das wäre doch gelacht …

Im Gipfelrausch

Turm auf dem Wietkikenberg

Der baumbestandene Berggipfel wäre mir möglicherweise ohne den Turm gar nicht aufgefallen. Für sich genommen, das sei zugegeben, ist der Wietkikenberg aktuell nicht sonderlich beeindruckend – wenn da eben dieser Turm nicht wäre. Der wurde mit einer Höhe von 50 Metern 2012 zunächst – an Stelle eines Feuerwachturms – als BOS – Digitalfunkmast errichtet und 2014 bis 2015 als Aussichtsturm ausgebaut, wobei sich die überdachte Aussichtsplattform 22 Meter über dem Berggipfel befindet.

Nach dem Erklimmen von 118 Metallstufen befinden wir uns dort also 1467 gHm/ dm über dem Meeresspiegel. Wahnsinn ! Entsprechend sensationell ist von dort auch tatsächlich der Ausblick, und zwar in alle Himmelsrichtungen.

Blick über das Havel- Seenland

Blick auf Potsdam

Blick Richtung Osten mit dem Großen Lienewitzsee

Noch eine Anmerkung zum Schluss: Zugegeben, die beschriebene Tour wirkt ja eher wie eine Wanderroute, aber ich habe auf dem Wietkikenberg tatsächlich nur Radler angetroffen.

Radlerpause auf dem Wietkikenberg

Mehr Fercher Bergland auf FLICKR

MARK RADLER fährt weiter!

Post Scriptum

Ich denke, was der Name Wietkikenberg bedeutet, das brauche ich nun wirklich nicht zu erläutern. Ich vermute, die Namensgebung stammt aus jüngerer Vergangenheit, womöglich erst aus dem 19. Jahrhundert.