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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No39 / 23. Juli 2017

Trappenübungsplatz im Planetal

Die Tour entlang der Plane hatte uns zuletzt in das Örtchen Cammer geführt, von wo es nun direkt in die Planenierderung geht.

Die Seiten wechseln

Von Cammer geht’s schnurstracks in die Belziger Landschaftswiesen. Wir wollen jetzt die Seite wechseln, was hier wörtlich wie auch auch im übertragenen Sinn gemeint ist, denn irgendwo in der Mitte der Planeniederung bzw. dem Urstromtal verlief die einstige Grenze zwischen Brandenburg und Sachsen. Das heißt, dass wir uns nun ins einstige Sachsen begeben werden.

Belziger Landschaftswiesen

Der Begriff Landschaftswiesen klingt ja irgendwie seltsam, denn was sollen Niederungswiesen schon sein, wenn nicht Landschaft? Na ja, aber vielleicht hat es tatsächlich auch Belziger Stadtwiesen gegeben und die Unterscheidung von Stadt- und Landschaftswiesen daher einen Sinn gemacht. Jedenfalls findet sich die Bezeicnung Landschaftswiesen bereits in historischen Karten aus dem 19. Jahrhundert und ist damit keine Ausgeburt heutiger Bürokraten. Allerdings stoßen wir in den Belziger Landschaftswiesen, die gleich hinter Cammer beginnen und sich bis nach Brück hinziehen, erstmal nicht auf Wiesen, sondern auf weitgehend ausgeräumte Ackerflächen, die von geraden Entwässerungsgräben und einer begradigten Plane durchzogen werden. Sehr naturnah wirkt diese Landschaft nicht. Dafür versteht man hier sehr gut, was mit agrarischen Produktionsflächen gemeint ist.

Plane bei Cammer

Naturschutz auf den zweiten Blick

Ausgerechnet hier fängt ein weiträumiges Natur- und Vogelschutzgebiet an. Und das soll eines der bedeutendsten Wiesenbrütergebiete Brandenburgs sein. Man kann das – zumindest von Cammer aus – auf den ersten Blick nicht glauben. Bei genauerer Betrachtung bzw. Recherche sieht die Sache aber schon etwas anders aus. Der Naturschutzstatus der so genannten Landschaftswiesen ist nämlich schon allein wegen des Trappenvorkommens berechtigt. Die Großtrappe, ein straußenähnlicher Vogel, der deshalb und wegen seines Schwerpunktvorkommens in Brandenburg auch „märkischer Strauß” genannt wird, ist immerhin der schwerste flugfähige Vogel Europas und war in Deutschland schon fast ausgestorben. Hier in den Belziger Landschaftswiesen hat die Großtrappe eines ihrer letzten Brutgebiete innerhalb von Deutschland. Außer hier kommt die Trappe nur noch in geschützten Bereichen des Havelländischen Luchs und dem Fiener Bruch vor. Bis zur Mitte der 1990er Jahre waren die Vorkommen auf insgesamt nur noch 57 Tiere gesunken. Inzwischen gibt es einen deutlichen Positivtrend, allerdings auch aufgrund künstlicher Brut plus Auswilderung. Aktuell soll der Trappenbestand in Brandenburg wieder bei 232 Individuen liegen. Davon entfallen 72 Tiere auf die Belziger Landschaftswiesen. Da sind wir tatsächlich auf einen bundesweit bedeutenden „Trappenübungsplatz” gestoßen. Mit Geduld, Fernglas und etwas Glück kann man hier also ein besonderes Naturerlebnis haben. Allerdings solle man dabei sehr behutsam sein, denn der plumpe Vogel ist äußerst scheu und störungsanfällig. Also, bitte nur erlaubte Wege benutzen!

Schutzgebiet von Süden

Verkehrte Welt: Niedermoor als Steppenlandschaft

So erfreulich das jetzt mit der Großtrappe auch klingen mag, so sind wir hier zugleich mitten im hiesigen Agrarelend angekommen. Denn der „märkische Strauß” ist für die Belziger Landschaftswiesen streng genommen Beleg einer dramatischen Landschaftszerstörung. Eigentlich sind wir hier ja in einem großräumigen Niedermoorgebiet, das jahrhundertelang wegen hoher Wasserstände und durchnässter Moorböden und Sümpfe undurchdringlich war und nur randlich als Wiesenland genutzt werden konnte. Diese Zeiten sind lange vorbei. Das Gebiet ist inzwischen intensivst melioriert und zu einer Art Steppe degradiert. Und da kommt dann die Trappe ins Spiel. Genau, die Großtrappe ist eigentlich eine Art der Steppen. In Mitteleuropa war sie bis zur Industrialisierung der Landwirtschaft ein so genannter Kulturfolger und besiedelte extensiv bewirtschaftete Äcker oder Heide-, Öd- und Brachflächen. Heute findet sie ihre letzten Refugien ausgerechnet in – trocken gelegten – Niederungen der Havel und der Plane. Nach einer wirklichen Erfolgsgeschichte klingt das dann doch nicht. Aber wir sind sehr bescheiden geworden. Angesichts des Klimawandels erscheint es da gar nicht mehr unvorstellbar, dass hier in etwa 50 Jahren aus Straußenfarmen ausgebüxte Stelzenviecher durch die Belziger Landschaftswüste pesen und ihre Köpfe in – pupstrockenen – märkischen Moorboden stecken. Und die Trappe besiedelt dann vielleicht die bis dahin ausgetrockneten Seen … Das wäre schon eine bemerkenswerte Karriere: Vom gebürtigen Steppentier über ein Praktikum als Trockenmoorhuhn zum fortgebildeten Seevogel neuer Art.

MARK RADLER will return …