Landkultur ohne Partieprogramm
Erfahrung 1 – Göttin (2). Wir schreiben das Jahr 2015. Havelland/ Brandenburg ist sehr angestrengt im BUGA-Fieber. MARK RADLER erradelt – in großem Bogen um die BUGA – ein Alternativprogramm in den südlichen Außenbereich des Havellandes.
Große Überraschung: documenta göttin
Nach dem erfrischenden Gespräch mit den beiden Jung-Göttinnen (s. MR No2) radle ich bester Laune weiter. Im Westen Göttins befindet sich der stillgelegte Bahnhof von Göttin, der bereits an privat verkauft wurde und entsprechend genutzt wird. Ist aber nur ein schlichter Zweckbau, nicht der Rede wert. Südlich davon erschließt sich dann entlang der stillgelegten Städtebahngleise eine Art Göttiner Südgelände.
In ausgedehnten Trockenbiotopen zirpen hier Heuschrecken und huschen Echsen davon. Ein lauschiges Plätzchen, ein Ort der Besinnung. Gleich daneben stoße ich auf eine Art Skulpturengarten, ich nenn’ ihn mal die documenta von göttin.
Alte landwirtschaftliche Geräte und skulpturenhafte Gebilde angesammelten Mülls stehen und liegen rätselhaft verteilt auf einem eingehegten Grundstück herum. Und als Höhepunkte oder Ausrufezeichen fallen die grell besprayten Reste eines Campinganhängers und ein kleines Backsteingebäude ins Auge. Das mutet wie ein großes Kunstwerk an. Oder wie ein kleiner Kult(ur)park.
kultURland brandenburg
Thema hier kann nur die Vergänglichkeit allen Seins sein. Stillgelegte Bahn nebenan, verrottende Lawi-Gerätschaften und aus Zeit und Gebrauch gefallene mobile und stationäre Behausungen, die durch farbliche Neugestaltung von ihrer einstigen Bestimmung radikal entfremdet sind. Und die Natur holt sich langsam alles zurück. Das ist Kultur ohne Programm. Überraschend und faszinierend. Wie sagte Joseph Beuys das mal so schön: jeder Mensch ist ein Künstler. Und ich ergänze: es liegt alles im Auge des Betrachters. Und spätestens hier stößt der in unserer Sache gänzlich unvermeidliche Theodor zu uns, der ja Ähnliches meinte, als er dem Mark-Reisenden eine feinere „Art von Sinnen“ empfahl und vor „gröblichen Augen“ warnte. So nehmen wir uns dies zu Herzen und erkunden auch das kultURland brandenburg mit feinstem Gespür. Göttin ist hier sicher nur ein Anfang. Aber was für einer!
Das waren belebende Momente auf der documenta göttin. Fehlt eigentlich nur noch ein Ausstellungskatalog. Sinnlich gestärkt fahre ich zurück in den Ort.