Der Eisenhammer von Klein Briesen
Nachdem wir hinter Ragösen in den Hohen Fläming aufgestiegen sind und am Rand des idyllischen Briesener Baches einen historischen sächsischen Grenzstein gefunden haben, erreichen wir endlich den Standort des Klein Briesener Eisenhammers.
Auf ärchäologischer Spurensuche
Keine hundert Meter vom sächsischen Grenzstein entfernt (s. MR No64) finden sich – versteckt im Wald – mehrere Gräben und Wälle unterschiedlicher Größe und Struktur, die auf eine besondere Nutzung an diesem Ort verweisen: den historischen Eisenhammer bei Klein Briesen.
Urkundlich ist diese Anlage erstmals durch die kursächsische Landesvermessung des 16. Jahrhunderts dokumentiert worden, obwohl der Hammer – bereits damals – auf brandenburgischem Gebiet lag. Seine Ursprünge reichen sogar bis ins Mittelalter zurück.
Wälle, Gräben und Schlackehalden
Bei näherer Betrachtung der Gräben und Wälle – und mit etwas Fantasie – erahnt man die Dimensionen bzw. ökonomische Bedeutung, die diese Anlage in früheren – vorindustriellen – Zeiten gehabt haben dürfte.
Nach Norden erstreckt sich ein künstlich aufgeschütteter (Stau-) Damm, durch den auf westlicher Seite eine Art (großer) Mühlenteich angestaut wurde.
In alten Karten ist für diesen Bereich die Flurbezeichnung „Hammer Laacke” dokumentiert. Vom Rückstau der heute nicht mehr als Gewässer ersichtlichen „Hammer Laacke” konnte das Wasser kontinuierlich durch den großen Graben abgeführt und zum Antrieb mehrerer Wasserräder genutzt werden.
Direkt am großen Graben finden sich dann auf einer Lichtung die Reste einer Schlackehalde, die uns unmissverständlich auf den Standort einer Eisenverhüttung verweist. Schon können wir wieder Geschichte – im wahrsten Sinne des Wortes – begreifen, denn natürlich hebe ich Schlackereste auf und befühle und betrachte sie voller Faszination – und spüre anhand jahrhundertealter Eisenschlacke die Magie des historischen Ortes.
Ein Industrierevier seit dem Mittelalter
Das kommerziell betriebene Ausschmelzen von Metallen aus Erzen war vermutlich die Hauptaufgabe der historischen Eisenhammeranlage. In – für heutige Verhältnisse kleinen – Schmelzöfen wurde das Erz zunächst zu einem glühenden Klumpen aus rohem weichem Eisen, flüssiger Schlacke und Kohleresten verschmolzen. Das Eisen wurde dabei allerdings nicht flüssig, wie in einem modernen Hochofen, sondern blieb vor allem infolge des Gehaltes an flüssiger Schlacke ein „teigiger“ und poröser Klumpen.
Durch das maschinelle Hämmern wurden diese Klumpen dann immer wieder ausgeschmiedet, bis Schlacke und Kohlereste (weitgehend) entfernt waren.
Vom Harzer Bergbau ist mir bekannt, dass entsprechende Hammeranlagen – vor dem Schmelzvorgang – auch zum Zertrümmern der erzhaltigen Gesteine genutzt wurden, was möglicherweise auch hier geschah.
Neben dem Hammerwerk wurden in einer so komplexen Anlage auch die Blasebälge der Schmelzöfen durch Wasserkraft angetrieben.
Nicht zu vergessen, dass die Schmelzöfen zu damaliger Zeit durch heimische Holzkohle betrieben wurden, weshalb neben ausreichend großen Holzvorräten (Forsten/ Wälder) in nicht allzu großer Entfernung auch der Kapazität des Eisenhammers entsprechend leistungsfähige Köhlereien betrieben worden sein müssen.
Und schließlich musste nicht zuletzt ausreichend Eisenerz vorhanden sein. Und wer den bisherigen Berichten von MARK RADLER gefolgt ist, der weiß sofort, dass auch das Eisenerz ganz in der Nähe abgebaut wurde. Als Ausgangsmaterial diente nämlich Raseneisenerz bzw. Raseneisenstein, der ein verfestigtes Gemenge aus Sand, Tonerden und Eisenoxyden (Rost) ist, das innerhalb von Flussniederungen im Schwankungsbereich eisenhaltigen Grundwassers entsteht.
Von einer solchen Erzlagerstätte hatten wir schon auf unserer Planetour zwischen Lucksfleiß und Golzow erfahren, als wir auf einen so genannten Hammerdamm gestoßen waren (s. MR No32).
Nahe bei Golzow, nur etwa 5 Kilometer Luftlinie vom Klein Briesener Eisenhammer entfernt, befand sich eine der eisenreichsten Gegenden des Urstromtals.
Vieles spricht dafür, dass diese bedeutende Erzlagerstätte am Hammerdamm in einem direkten Zusammenhang zu unserem Eisenhammer steht. Wobei sich die Frage stellt, ob der Transport des Raseneisensteins auf kürzestem Weg über sächsisches Gebiet möglich war, oder ob man zur Vermeidung von Zoll oder ähnlichen Unannehmlichkeiten das sächsische Groß Briesen “großräumig” umfahren musste.
Mit allem, was daran hängt, entpuppt sich diese Eisenhammeranlage als ein komplexer Industriebetrieb (aus vorindustrieller Zeit).
Wie ein versunkener Kontinent
So stehe ich voller Faszination vor den archäologischen Resten dieses Eisenhammers und fühle mich dabei, als ob ich einen (versunkenen) Kontinent entdeckt hätte. Und ich versuche mir vorzustellen, was für eine gewaltige Betriebsamkeit hier in früheren Zeiten geherrscht haben muss.
Hier, wo jetzt absolute Stille herrscht.
Ich höre den dumpfen, regelmäßigen Schlag der Hämmer und sehe Ochsen- oder Pferdegespanne Holzkohle und Raseneisenstein anfahren und ausgeschmiedetes Roheisen abfahren. Und sicherlich wird die Gegend hier zu damaliger Zeit recht verqualmt, also sicher kein Luftkurort gewesen sein.
Neben den Schmelzöfen dürften nicht allzu weit entfernt zahlreiche Kohlemeiler die Luft „verpestet“ haben. So ein Meiler brauchte schließlich – qualmreiche – Monate, bis aus Holz höherwertige Holzkohle wurde. Mit Holzfeuern waren die zur Verhüttung von Eisen notwendigen Temperaturen nämlich nicht zu erreichen. Und dabei müssen wir davon ausgehen, dass am damaligen Wald heftiger Raubbau betrieben wurde, die weitere Umgebung vermutlich recht wüst ausgesehen hat.
Eigentlich ist das kaum zu glauben: hier, wo wir heute eine Naturidylle genießen, befand sich vor hunderten von Jahren ein lärmendes und stinkendes Industriegebiet. Und damit dürfte auch die Qualität des „Briesener Wassers“ keine „Bioqualität“ gehabt haben.
Früher war eben nicht alles besser.
Offen bleibt, wer diesen Hammer damals betrieb und wo und zu was das hier verhüttete Eisen schließlich verarbeitet wurde. Hochwertige Eisenprodukte konnten aus Raseneisenerz jedenfalls nicht hergestellt werden – und damit auch keine Waffen.
Mir ist auch nicht bekannt, wo und unter welchen Bedingungen die „Hammerwerker“ wohnten und wie ihr sozialer Status war. Waren sie angesehene Hightech-Handwerker oder nur „minderwertige“ Arbeiter, die die „Drecksarbeit“ erledigten?
Post Scriptum
In dem archäologischen Ausflugsführer, durch den ich auf den Klein Briesener Eisenhammer aufmerksam geworden war, wird dem geneigten Leser ein Ausflug zum Kupferhammer in Theißen empfohlen. Dieser im sachsen-anhaltinischen Fläming gelegene Kupferhammer ist ein voll funktionsfähiges technisches Denkmal und kann die Funktionsweise eines vorindustriellen Hammerwerks anschaulich vermitteln. Ich beschließe, dieser Empfehlung zu folgen und in absehbarer Zeit eine erste „Mark-Radler-Fernfahrt“ ins „Ausland“ zu machen.
Darüber hinaus sei allen, die sich für das historische Hüttenwesen und den Raseneisensteinabbau in Brandenburg interessieren, nochmals ein Besuch des sehr sehenswerten Hüttenmuseums in Peitz (Niederlausitz) empfohlen.