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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No71 / 3. Juni 2018

Brügge sehen… und sterben?

Fährt man mit der Regionalbahn RB74 von Pritzwalk nach Meyenburg in der Prignitz, kommt man durch einen Ort namens Brügge.

Brügge, das ist doch diese wunderschöne Stadt in Westflandern, die im Spätmittelalter das bedeutendste Handelszentrum im nördlichen Europa war und dabei auch eine bedeutende Rolle in der legendären dudeschen Hanse spielte. Brügge war damals auch für seine edlen Stoffe berühmt. Und da gibt es also in der märkischen Prignitz auch ein Brügge, ein Geschwisterort des großen Brügge, der vermutlich von flämischen Siedlern als Erinnerung an ihre Heimat Brügge genannt wurde. Wenn das kein Grund für eine Erkundung ist!

Kleinbahnatmosphäre in der Prignitz

Schienenbus der Hanseatischen Eisenbahn

Gut 2 ½ Stunden braucht man mit RE2, RB73 und RB74 von Berlin (Hauptbahnhof) bis Brügge (Prignitz). Die beiden Regionalbahnstrecken ab Neustadt (Dosse) werden inzwischen übrigens von der Hanseatischen Eisenbahn, kurz Hans genannt, betrieben, was ja irgendwie cool klingt (also weniger der Hans, sondern vielmehr das Hanseatische).

 

Passt ja auch wie der Topf auf den Deckel (passen sollte), dass die Hanseatische Eisenbahn ausgerechnet Brügge anfährt (s.o.). Zum rumpelnden Einsatz kommen hier recht schlichte Schienenbusse, die aber richtige Kleinbahnatmosphäre verbreiten. So etwas erlebt man sonst nirgendwo mehr im Netz des VBB. Das alleine hat schon was. Und (beschränkte) Fahrradmitnahme ist auch möglich.

Abschweifende Gedanken über vertitelte Verleger

Hans dieselt ab…

Und dann stehe ich einsam und verlassen auf dem Bahnhof Brügge (Prignitz) und muss an diesen eigenartigen Filmtitel denken: Brügge sehen… und sterben? Wobei ich mal kritisch anmerken möchte, dass mir das ganz schön auf den Senkel geht, wie sich deutsche Filmverlage darin überbieten, die beklopptesten Filmtitel zu kreieren. Im Original hieß dieser Film ganz schlicht Bruges, also übersetzt: Brügge. Wie viel Koks muss man eingepfiffen haben, um daraus einen so verdödelten Titel wie Brügge sehen… und sterben? zu schustern? Bedauerlicherweise gibt es viele Filme, deren Titel in Deutschland grausig entstellt werden. Und selbst wenn der Titel mal korrekt ins Deutsche übertragen wird, wie etwa beim Ridley Scott-Film Der Marsianer (OT: The Martian), dann setzt der deutsche Filmverleger als Titelergänzung – für die ganz Doofen? – noch Rettet Mark Watney hinzu. Ahhhrrrr!!! Aber auch bei deutschen Buchverlagen ist diese Vertitelungs-Unsitte verbreitet. Als ein Beispiel von vielen sei der historische Kriminalroman Dissolution (übersetzt: Auflösung) von C.J. Sansom angeführt. Der Fischer Verlag scheute sich nicht, aus Dissolution den völlig bekloppten Titel Pforte der Verdammnis zu machen (Super RTL-Gucker lesen doch gar nicht!). Irgendwas stimmt da doch nicht in den Köpfen hiesiger Verleger…

Aber zurück zum besagten Film Brügge (von 2008). Es handelt sich da um ein tragikomisches Filmdrama um zwei irische Auftragskiller, die ins flandersche Brügge abkommandiert werden und sich dort ständig umlauern, weil sie sich gegenseitig killen sollen – was zu herrlich absurden Situationen führt (die Killer werden von Colin Farrell und Brendan Gleeson gespielt). Und all das spielt in der wunderschönen Altstadt von Brügge. Und so kommt es, dass ich mitten in der Prignitz stehe und an irische Profikiller denken muss. Dazu stellt sich prompt ein beklemmendes Gefühl ein, wie ich so alleine an den einsamen Gleisen stehe. Fing nicht auch der Film Spiel mir das Lied vom Tod in vergleichbarer Situation und Atmosphäre an? Verkrampft lausche ich in die Prignitzer Stille hinein und stelle erleichtert fest, dass hier niemand Mundharmonika spielt.

 

Bahnhof Brügge

Brügge – die Fakten

Brügge gesehen…

Vom Bahnhof bis Brügge sind es noch gut 1,5 km, was mit dem Rad schnell geschafft ist. Das Örtchen, das 1325 als „Brugghe“ und „Brugke“ urkundlich erstmals erwähnt wurde, entpuppt sich als schlichtes Runddorf, in dessen Mitte eine Feldsteinkirche steht. Die Feldsteine täuschen aber auf den ersten Blick, denn die Kirche stammt leider nicht aus dem Mittelalter, was auch dem kleinen Brügge gut zu Gesicht stünde, sondern wurde Ende des 19. Jahrhunderts im historisierenden Stil der Neugotik errichtet.

 

Neogotische Dorfkirche

Schade. Wobei. Das kann man dann auch als eine Art gotische Kulisse wahrnehmen, wie in einem Film. Brügge sehen… und sterben? Der Film wurde allerdings an Originalschauplätzen gedreht.

Gibt es sonst noch etwas aus Brügge zu berichten? Der Bahnhof wird in der Denkmalliste des Landes Brandenburg geführt und durch Brügge führt der Radwanderweg Elbe-Müritz-Rundweg.

 

Brügger Impressionen (1)

Brügger Impressionen (2)

Brügger Impressionen (3)

Also: hier eher nicht sterben. Außer man hat hier ein – hoffentlich – erfülltes Leben geführt.

MARK RADLER will return…