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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No72 / 15. Juli 2018

Die Havel- und Hansestadt Havelberg

Wie in Teil 1 von „Havel rauf“ verkündet (MR No28), wollen wir vom Havelende bei Gnevsdorf in der Prignitz etappenweise die Havel aufwärts bis zur Quelle erkunden. In Teil 5 (MR No52) hatten wir mit Havelberg die erste Havelstadt erreicht und waren dann tief in deren mittelalterliche Geschichte eingetaucht (MR No53 und MR No54).

Alte und neue Hansestadt

Havelberger Stadtansicht vom Domareal

Vor unserer Weiterfahrt – von Havelberg die Havel rauf Richtung Rathenow – wollen wir noch kurz auf die Bezeichnung Hansestadt eingehen, bezeichnet sich Havelberg doch seit dem Jahr 2008 als Hansestadt und ist auch Mitglied im neuzeitlichen (sachsen-anhaltinischen) Altmärkischen Hansebund. Obwohl Havelberg gar nicht in der Altmark liegt, sondern zur Prignitz gehört, die ja eigentlich bzw. größtenteils im Land Brandenburg liegt. Aber das ist eine eigene Geschichte, dass die urbrandenburgische Stadt Havelberg bei der Neubildung der östlichen Bundesländer zu Sachsen-Anhalt geschlagen wurde (obwohl sich die Havelberger Bürger in einer Abstimmung für das Land Brandenburg entschieden hatten). Das ist inzwischen auch Geschichte.

Mit Bahn und Rad nach Havelberg: Von Berlin-Friedrichstraße benötigt man etwa 1 Stunde und 20 Minuten mit dem RE2 bis Glöwen. Vom Bahnhof Glöwen sind es dann knapp 9 km bis in die Havelberger Alt- bzw. Inselstadt.

Nun aber zum Thema Hansestadt. Hansestadt. Das bringen die meisten Menschen vor allem mit den an Nord- und Ostsee gelegenen Hafenstädten in Verbindung, insbesondere gilt das für Bremen, Hamburg und Lübeck. Was wohl in erster Linie an den entsprechenden KFZ-Kennzeichen mit dem „H“ liegt. Seit der Wende gibt es zwar auch noch solche „Hanse-Kennzeichen“ für die Ostseestädte Greifswald, Rostock, Stralsund und Wismar, das hat sich allerdings – bundesweit – noch nicht so recht ins Bewusstsein der Menschen gegraben. Aber eine Hansestadt im tiefen Binnenland, das überrascht dann erst recht. Dabei liegen die meisten – einstigen – Hansestädte im Binnenland, denn der Großteil der international gehandelten Waren stammte aus und wurden ins Binnenland geliefert. Auch Berlin oder Brandenburg könnten sich Hansestadt nennen, auch wenn es nie bedeutende Hansestädte gewesen sind (wie auch Havelberg). Sogar das westfälische Dortmund oder die rheinischen Städte Duisburg und Köln waren Hansestädte, Köln sogar eine bedeutendsten überhaupt. Wer aber nennt Köln heute eine Hansestadt?

 

Blick auf das Domareal

Dass sich Havelberg nun als Hansestadt bezeichnet, ist – im Vergleich zu anderen, bedeutenderen Hansestädten – schon etwas vollmundig, aber historisch eben nicht falsch, denn Havelberg war zeitweise tatsächlich Mitglied in der „dudeschen (deutschen) Hanse“. Der heutige Hanseauftritt ist allerdings in erster Linie als eine touristisch orientierte Vermarktungskampagne zu verstehen (wie auch die Mitgliedschaft im Altmärkischen Hansebund).

Havelbergs Mitgliedschaft im historischen Hansebund ergibt sich aus einer Einladung zur Teilnahme am Lübecker Hansetag von 1359. Nach aktuellem Wissensstand wurden Städte zu einem Handelstag nur dann förmlich geladen, wenn sie bereits Mitglied der Hanse waren (genauere Dokumente, etwa Mitgliedslisten der Hansestädte mit Ein- und Austrittsdaten, liegen nicht vor). Im Fall von Havelberg ist eine solche Mitgliedschaft auch durchaus nachvollziehbar, war Havelberg durch seine Lage an den schiffbaren Flüssen Elbe und Havel ein zwischen der Mark Brandenburg und Hamburg (mit Anbindung zum Nord- und Ostseeraum) günstig gelegener „Umschlagsplatz“ – und damit für den Fernhandel gut aufgestellt. Für die Entwicklung des Handels wirkte sich im mittelalterlichen Havelberg vermutlich auch der Bischofssitz günstig aus, denn durch die bischöfliche Verwaltung bzw. deren Mitarbeiter dürfte es in Havelberg einen gewissen Bedarf an standesgemäßen (höherwertigen) Waren gegeben haben.

 

Am Salzmarkt

Havelberg, das sich aus einer slawischen Siedlung entwickelt hatte, zählt immerhin zu den ältesten stadtähnlichen Siedlungen der rechtselbischen Gebiete und war bereits im 12. Jahrhundert ein wichtiger Handelsort. Mit der deutschen (Ost-) Kolonisation der rechtselbischen Gebiete und der Einrichtung des Bischofssitzes vollzog sich ab Mitte des 12. Jahrhunderts ein – für damalige Verhältnisse – rasanter wirtschaftlicher Aufstieg. Brandenburg war im Mittelalter ein wichtiger Holzlieferant, was übrigens letztlich zur weitgehenden Vernichtung seiner alten Eichenwälder führte, ferner waren die Prignitz wie auch die nahe gelegene Altmark ergiebige Getreideproduzenten. So verwundert es nicht, dass von und über Havelberg vor allem Holz- und Getreidehandel nach Hamburg (und darüber hinaus) betrieben wurde, aber auch Fischerei- und Handwerksprodukte spielten eine Rolle. Ganz sicher war Havelberg kein aktives oder bedeutendes Mitglied der historischen Hanse und ließ sich sicherlich auf den Hansetagen von Kaufleuten anderer Städte vertreten. Wann Havelberg aus dem Hansebund ausschied, ist nicht dokumentiert. In der Literatur finden sich hier sehr unterschiedliche Annahmen. Vieles spricht dafür, dass Havelbergs Ausscheiden aus der Hanse im Zusammenhang mit dem Verlust seiner Stadtfreiheit im Jahr 1488 durch den damaligen brandenburgischen Markgrafen Johann Cicero steht. Mit dem Verlust seiner Stadtfreiheit erfüllte Havelberg, wie auch andere brandenburgische Städte, nicht mehr die Bedingungen für eine Mitgliedschaft im „freien“ Hansebund (die Hanse bestand – mit abnehmender Bedeutung – noch bis ins 17. Jahrhundert weiter).

Backsteingotik in Havelberg

Gotischer Giebel am Dom

Die Hanse prägte nicht nur Wirtschaft und Handel der ihr angehörenden Städte, sondern sie beeinflusste auch die Entwicklung der Städte im städtebaulichen und kulturellen Sinn. Heute verbinden wir mit der Hanse vor allem repräsentative Backsteinbauten im Stil der Gotik, wie Rathäuser, Kirchen oder Stadttore, aber auch der Bau von Bürgerhäusern und Spitälern, die Anlage von Marktplätzen oder die Einrichtung von Bürgerstiftungen erfolgten unter ihrem Einfluss. In Havelberg sind – auch bedingt durch zahlreiche Stadtbrände – allerdings nicht viele Zeugen dieser Zeit erhalten geblieben. Havelberg hatte wegen seiner Insellage auch nie eine massive Stadtbefestigung, allerdings ist die Existenz von zwei Stadttoren, dem Steintor im Norden und dem Sandauer Tor im Süden, überliefert. Über die Ausbildung der Toranlagen scheint nichts bekannt zu sein. Im Grunde können wir mit der Hanse(-zeit) nur zwei Gebäude der Inselstadt in eine engere Verbindung bringen, denn die Domstadt und die so genannten Berggemeinden waren nicht Mitglied der Hanse. Zu nennen sind damit die Stadtkirche St. Laurentius und das kleine so genannte Beguinenhaus am Salzmarkt.

 

Altstadt mit gotischer Stadtkirche St. Laurentius

Die dreischiffige gotische Hallenkirche St. Laurentius, meist als Stadtkirche bezeichnet, ist das älteste erhaltene Gebäude der Inselstadt. Ihr Bau begann vermutlich um das Jahr 1300. Im 15. Jahrhundert entstand westlich am Turm der zweistöckige Vorbau mit einer Türmerwohnung. Aufgrund mehrerer Stadtbrände wurde die Kirche jedoch mehrfach beschädigt und umgebaut. Der Turm stammt in seiner heutigen Erscheinung weitgehend aus dem 17. Jahrhundert.

 

Turm mit Vorbau aus dem 15. Jahrhundert

Südseite des Kirchenschiffs

Das kleine Backsteinhaus am Salzmarkt, heute als Beguinenhaus bezeichnet, stammt im Kern vom Ende des 14. Jahrhunderts und war ursprünglich die Heiligen-Geist-Kapelle (St. Spiritus) des Havelberger Beguinenhospitals. Bei den Beguinen (auch Beginen genannt) handelte es sich um Bürgerwitwen oder -töchter, die sich in einer klosterähnlichen – aber weltlichen – Gemeinschaft der eigenen Versorgung und der Krankenpflege widmeten. Interessant – und mal wieder sehr bezeichnend – ist, dass die in ganz Europa verbreiteten Beguinen von der römisch-katholischen Kirche nicht nur als unerwünschte Konkurrenz der kirchlichen Orden betrachtet, sondern teilweise als ketzerisch gebrandmarkt und bekämpft wurden. In manchen Gegenden sahen sich die Beguinen sogar der Verfolgung durch die Inquisition ausgesetzt. So viel (mal wieder) zur christlich praktizierten Nächstenliebe.

 

Das Beguinenhaus am Salzmarkt

Außerhalb der hansischen Inselstadt treffen wir noch auf zwei weitere Bauten, die in die Zeit der Hanse zurückreichen. An erster Stelle sind der Havelberger Dom und die daran angebauten Gebäude des einstigen Prämonstratenserklosters zu nennen. Der Dom stammt in seinen Fundamenten – wie auch das mächtige Westwerk aus Bruchstein (s. MR No53) – noch aus der romanischen Zeit des 12. Jahrhunderts, allerdings wurde er nach einem Brand 1279 in gotischem Stil erneuert.

 

Nordseite des Havelberger Doms

Südseite des Doms vom Klosterhof aus

Chor an der Ostseite

Gotische Klostergebäude am Dom

Ehemaliger Kornspeicher des Klosters

Westlicher Kreuzgang des Klosters

Gotischer Kreuzgang aus dem 13. Jahrhundert

Blick aus dem Kreuzgang

Während das Konventsgebäude des Klosters noch spätromanischer Herkunft ist, sind die übrigen Klostergebäude aus dem 13. Jahrhundert (Refektorium und Kreuzgang) und dem 15. Jahrhundert (Kapitelsaal) klassische Bauten der Backsteingotik. Schließlich findet sich am Rand der Hochfläche noch die winzige St.-Anna-Kapelle, die eine ehemalige Kapelle des Gertraudenhospitals ist und aus dem 15. Jahrhundert stammt. Bemerkenswert ist der achteckige Grundriss des kleinen Sakralbaues.

 

St.-Anna-Kapelle

Also, da ist wahrlich nicht allzu viel Hanse in Havelberg. Das ändert aber nichts daran, dass Havelberg zu den schönsten Städten zwischen Elbe und Oder gehört und eine wahre Perle unter den Havelstädten ist.

 

Havelberg a.d. Havel

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