Frühling hinter Hennigsdorf
Kleine Frühlingsrunde hinter Hennigsdorf (1)
Natürlich hat die Coronakrise auch Auswirkungen auf Mark Radler. Zur Beachtung der Abstandsregel, die ja irgendwo auch so etwas wie eine Anstandsdregel ist, verzichtet Mark Radler vorerst auf nicht unbedingt erforderliche „Huckepackfahrten“ mit S- oder Regionalbahn und erkundet die nähere Umgebung im Oberhavelland.
Mit Spalierstock unterwegs
Es ist Mai und heftig lockender Frühling. Also raus. Und gleich hinter Hennigsdorf beginnen relativ ausgedehnte Waldflächen. Am Waldessaum blühen Horden heller Veilchen. Obwohl doch recht unscheinbar, fallen mir die kleinen Blüten durch ihre große Anzahl sogar vom Rad aus auf. Das ist nun das Hain-Veilchen, eine typische Waldart. Die erste Veilchenblüte der dunkleren März-Veilchen ist ja schon lange vorbei. Das März-Veilchen tritt aber auch eher im Siedlungsbereich auf.
Weiter geht’s. Nur wenige Momente später kommt mir ein mittelaltes Pärchen zu Fuß entgegen. Und er trägt tatsächlich einen etwa 2,50 langen Stock, was mir irgendwie nicht sehr praktisch erscheint.
„Das ist aber ein langer Spazierstock, oder sind sie Stabhochspringer?“
„Nee, nee, nee …“ antwortet die Frau, „ … das ist ein Spalierstock.“
Hä?
„Mein Mann baut damit ein Spalier.“
Und der Mann setzt fachmännisch nach, während er mir den Stock entgegenhält: „Das hier ist ein Haselstock. Hier im dunklen Unterstand der Kiefer wachsen die Triebe dem Licht entgegen. Deshalb sind die hier so besonders gerade!“
„Auf jedem Spaziergang nimmt mein Mann einen Stock mit. So kommt was zusammen.“
Nun weiß ich Bescheid. Und ich erfahre noch, dass das Spalier dem Anbau von Buschbohnen dient oder dienen soll. Und mir kommen sofort gebratene Bohnen in den Sinn.
Eine glatte Fehlbesetzung!
Da fällt es mir erst auf. Hier wächst unter dem Kiefernschirm massenhaft die Gewöhnliche Hasel, auch Haselstrauch oder Haselnuss genannt. Hasel im Unterstand der Kiefer. Das passt eigentlich nicht, denn die Hasel wächst natürlicherweise in „besseren“ Laubwäldern, z.B. im Eichen-Hainbuchenwald oder im Hartholzauenwald. Was bedeutet, dass diese Standorte hier für die Kiefer eigentlich viel zu schade sind. Die Kiefer ist hier eine glatte Fehlbesetzung. Hier könnte prächtiger Laubwald gedeihen. Aber der Wald wird bei uns ja seit hunderten von Jahren von Förstern bevormundet, wobei in unseren Gefilden die Kiefer massiv bevorzugt wurde. Die Kiefer wächst nämlich auch auf diesen „besseren“ Standorten gut und schnell, wenn man die Laubhölzer unterdrückt. Da die Kiefer schneller und häufiger zu ernten ist, bringt sie auch schneller Knete. Dass das nicht ökologisch gedacht und langfristig auch ökonomisch unvorteilhaft ist, spricht sich – nicht zuletzt wegen der mit dem Klimawandel verbundenen Probleme – langsam auch in der Forstwirtschaft herum. Inzwischen ist „Waldumbau“ angesagt. Die Kiefer wird bei uns ihre Hauptrolle verlieren, auch in der märkischen „Streusandbüchse“.
Drei Haselnüsse für ?
Auch wenn die Hasel in der neuzeitlichen Forstwirtschaft keine Bedeutung hat, so war sie doch früher auch bei uns von ökonomischer Bedeutung. In der Frühgeschichte war sie natürlich vor allem eine wichtige Sammelfrucht. Aber auch das Holz wurde vielfach genutzt. Die Triebe oder Haselruten wurden von Böttchern gerne zu Fassreifen verarbeitet oder – ähnlich wie Weidenruten – für Faschinen oder als Flechtwerk verwendet. Auch die Verwendung als Armbrustbögen ist bekannt, und die Kohle der Hasel wurde u.a. auch zur Herstellung von Schwarzpulver genutzt. Na ja, kann die Hasel ja nichts dafür. Wobei, Schwarzpulver wurde ja auch sinnvoll angewendet. Und jedes Weihnachten erleben wir verzückt, was Aschenputtel mit drei Haselnüssen anstellt. Soviel zur Hasel.
Nur kurze Zeit später fallen mir am Wegesrand zarte weiße Blüten auf, die an kleine Sterne erinnern. Die Hain-Sternmiere bestätigt, dass hier ohne Försterhände schöner Laubwald wachsen würde. Denn besagte Waldmiere ist eine typische Art der Eichen-Hainbuchen- oder Buchen-Mischwälder. Wenn alles passt, kann sie dichte Pflanzenteppiche am Waldboden bilden, nicht unähnlich den der Buschwindröschen. Das kann einen Wald richtiggehend „verzaubern“.
Die „Volksmedizin“ hat ja fast alles verwendet. Aus dem Saft der Hain-Sternmiere wurde z.B. eine Salbe gegen Augenentzündungen gemacht. Lassen wir sie blühen und gehen bei Bedarf doch lieber in die Apotheke.
Wir wissen jetzt jedenfalls, dass hier, hinter Hennigsdorf, nicht Streusandbüchse ist, sondern hier fängt das Havelländische Luch an. Zumindest seine Ausläufer. Dabei handelt es sich um ein großes Niederungsgebiet westlich der Havel, das den Kern des – so genannten – Havellandes bildet. Was bitte nicht mit dem gleichnamigen Landkreis gleichzusetzen ist.
Na, schauen wir mal rein, ins Luch.
MARK RADLER fährt weiter !
Post Scriptum:
Zur Ehre der Förster sei doch noch angemerkt, dass es hier bei Hennigsdorf auch noch schöne Bestände des Eichen-Hainbuchenwaldes gibt. Wie übrigens auch im nicht gar so fernen Spandauer Forst.