Sexy Sandau?
Im Sommer 2018 führte ein Abstecher von Mark Radlers Haveltour ins arme Sandau a.d. Elbe, wo wir auf „der Straße der Romanik“ die Stadtkirche St. Laurentius und St. Nikolaus aufsuchten.
Aufwärts und nicht vergessen
Die im Parterre des Kirchenbaus aufgekommene schlechte Stimmung (s. MR No73) konnte sich nach dem Turmaufstieg nicht lange gegen die überwältigenden Ausblicke vom Sandauer Kirchturm behaupten. Vor lauter Begeisterung weiß ich gar nicht, wo ich zuerst hinsehen soll. Von hier oben sieht sogar die ebenerdig so trist wirkende Stadt Sandau richtig idyllisch aus, was nicht zuletzt daran liegt, dass hier kein massiver Neubau das Gesamtbild verschandelt. Aber dann erst der Blick Richtung Westen zur Elbe bzw. Elbaue oder der Blick nach Norden zum wundervollen Havelberg. Einfach umwerfend.
Abstieg seit dem Mittelalter
Sandau war im Mittelalter eine befestigte Stadt mit drei Stadttoren, auch eine Burganlage bestand hier. Die mächtige Backsteinkirche St. Laurentius und St. Nikolaus, eine spätromanische Pfeilerbasilika, deren Bau um 1200 begann, ist heute letztes Zeugnis dieser „großen Vergangenheit“ und wird zu Recht vom Land Sachsen-Anhalt im Rahmen der Straße der Romanik „vermarktet“ (*). Die Stadtbefestigung ist – bis auf kleine Reste – bereits im 19. Jahrhundert geschliffen worden. In der Mauerstraße soll es noch letzte Reste geben, allerdings fand sich in Sandau nirgendwo ein konkreter Verweis dazu. Von der Burganlage ist nichts verblieben.
Arm, aber sexy?
Insgesamt wirkt Sandau heute ziemlich trist, nicht einmal mehr städtisch. Nahezu überall sieht man verfallende Häuser. Trotz Stadtstatus war mir im Ort keine einzige betriebene Gaststätte aufgefallen, auch frühere Geschäfte stehen inzwischen leer. Leerstand, überall. Und, wie sollte es anders sein, auch der kleine Bahnhof am Südrand von Sandau ist seit 1993 verwaist und verfällt.
Offizielle Sehenswürdigkeiten in beschränkter Anzahl
Auf der offiziellen Webseite der Stadt Sandau werden gerade einmal ganze 3 Sehenswürdigkeiten aufgeführt. Neben der spätromanischen Stadtkirche (s.o.) ein Kriegerdenkmal von 1898 (?) und ein polnisches Ehrenmal, das an polnische Soldaten der I. Armee erinnert, die hier in den letzten Kriegstagen des Jahres 1945 ihren Anteil zur Niederlage Nazi-Deutschlands beigetragen haben. Polnische Ehrenmale gibt es in unserem Land tatsächlich nur sehr wenige. Insgesamt erscheint es trotzdem nicht sonderlich beeindruckend, was da von den Stadtoberen und der Touristinformation an Sehenwürdigkeiten angepriesen wird. Dabei wäre doch die überwältigende Turmaussicht (s.o.) eine eigene Erwähnung wert.
Zweifellos könnte und müsste auch die Gierseil- und Motorfähre von Sandau – wie auch die Elbe selbst – bei den Sehenswürdigkeiten der Stadt aufgeführt werden. Die Sandauer Fähre ist immerhin seit 1272 urkundlich überliefert. Der heutige Betrieb als Gierfähre, die – an einem 500 Meter langen Seil hängend – vom Elbewasser angetrieben wird, ist immer wieder ein entschleunigendes Erlebnis. Bei Hochwasser kann die Fähre abgehängt und der Betrieb mit Motorkraft aufrechterhalten werden, was meines Wissens mit der Werbener Fähre nicht möglich ist.
Und ein Schutzpatron aus Nordafrika
Zum Schluss möchte ich noch auf einen amüsanten Umstand hinweisen, denn das heute sachsen-anhaltinische Sandau führt – seit dem Mittelalter bis heute – einen schwarzen bzw. farbigen „Nordafrikaner“ in seinem Stadtwappen, und dieser stellt auch noch einen Schutzpatron der Stadt dar. Es handelt sich hier um den – nach der Legende aus Theben stammenden – römischen Legionär Mauritius, der seit seiner Heiligsprechung durch die katholische Kirche auch St. Mauritius genannt wird.
Das wäre doch ein zukunftsträchtiger (sexy) Ansatz: Sandau, öffne dich!
MARK RADLER will return …
(* – Anmerkung vom Juli 2019: Wer mehr über den spätromanischen Kirchenbau erfahren möchte, der sei auf die sehr informative Webseite geschichtstouren.de verwiesen).