Steinernes Zeugnis einer wundersamen Sachsenschrumpfung
Hinter Ragösen steigen wir in den Hohen Fläming auf und folgen dem idyllischen Briesener Bachtal aufwärts Richtung Klein Briesen.
Geschichte zum Begreifen
Nach etwa einem Kilometer stoßen wir dann unmittelbar auf der Südseite des Briesener Baches endlich auf den – ersten – der gesuchten sächsischen Grenzsteine – und das mitten im Land Brandenburg.
Trotz des historischen Wissens um den Verlauf der einstigen Sachsengrenze und die Gründe der Grenzverschiebung (s. MR No56) wirkt der Stein etwas befremdlich auf mich, kommt mir Sachsen von hier aus betrachtet doch reichlich fern vor.
Nach einer kurzen Besinnung setzt dann große Freude ein. Es ist so ein Triumphgefühl, wie bei einer erfolgreichen Schatzsuche. Endlich kann ich diese vergangene Grenze „begreifen“.
Das begriffene Objekt ist aus sächsischem Sandstein gefertigt, auf dem trotz reichlicher Verwitterungsspuren noch immer Wappen und Beschriftung halbwegs erkennbar sind. Und das nach über 430 Jahren. Das nenne ich cool.
Auf einst sächsischer Seite erkenne ich das Wappen der Wettiner, also der damaligen sächsischen Landesherren, und die Aufschrift „Sachsen”. Auf der gegenüber liegenden Seite befindet sich das Brandenburger Wappen mit dem Zusatz „Brandenburg”.
Auf einer kleinen Infotafel neben dem Stein wird erläutert, dass Kursachsen ab 1580 damit begonnen hatte, die Grenze zu Brandenburg mit Grenzsteinen zu markieren, aber so viel wussten wir ja schon (s.o.). Weiter steht da, dass sich solche Steine meist auf erhöhten, manchmal aufgeschütteten Geländepunkten finden, insbesondere bei Richtungsänderungen oder an Kreuzungen (von Wegen oder Wasserläufen). An weniger markanten Stellen wurden mitunter große Feldsteine zur Grenzmarkierung abgelegt.
An dem vor uns stehenden Stein knickte die Grenze in südliche Richtung ab. Demzufolge lag hier im Westen brandenburgisches und im Osten sächsisches Gebiet.
Die Infotafel weist uns dann noch auf eine alte Eichenreihe weiter südlich hin, die den weiteren Grenzverlauf markiert. Solche Baumreihen wurden von den Amtsförstern ganz bewusst als grenzstützende Maßnahmen gepflanzt. Im vorliegenden Fall sind die Eichen allerdings zu jung, um noch zur Markierung der brandenburgisch-sächsischen Grenze gepflanzt worden zu sein, denn diese Grenze bestand hier ja nur bis 1815.
Als „echte Grenzeichen“ müssten sie also über 200 Jahre alt sein, was sie nicht sind. Bekanntermaßen wurde Sachsen ja im Jahre 1815, im Zuge des Wiener Kongresses, zu Gunsten von Preußen deutlich zurechtgeschrumpft.
Dummerweise hatte Sachsen zu lange an Napoleons – also letztendlich der falschen – Seite gestanden und gekämpft. Dafür wurde Sachsen damals hart bestraft.
Wirklich dumm gelaufen, aus Sachsensicht.
Eigentlich erstaunlich, dass das 2015, zum Zweihundertsten, in Brandenburg nicht groß gefeiert wurde. Ist vielleicht auch besser so, denn wer weiß schon, was da sonst noch an revanchistischen Gelüsten aufgekommen wäre …
Eine wahrlich verrückte Grenze
Ein Blick auf das Schulenburg-Schmettausche Kartenwerk von 1774/1775 zeigt uns, dass die Grenze hier um Klein Briesen in früheren Zeiten geradezu wahnwitzig anmutende Kapriolen schlug, durch die das brandenburgische Klein Briesen – wie eine Enklave – weitgehend von sächsischem Gebiet und – umgekehrt – das sächsische Groß Briesen entsprechend von Brandenburger Gebiet umschlossen wurde.
Dass dies hier, insbesondere angesichts der großen ökonomischen Bedeutung der Wasserkraft, immer wieder zu politisch-militärischen Konflikten geführt hat, sollte uns daher nicht verwundern.
Und das ist nun endlich der Übergang zum eigentlichen Ziel dieser Erfahrung. Denn auch wenn uns die Infotafel am sächsischen Grenzstein diesbezüglich völlig im Stich lässt, erwartet uns – Wissende – am Rande der einstigen Landesgrenze, nur wenige Schritte nordwestlich des entdeckten Grenzsteines, endlich der historische Eisenhammer von Klein Briesen.