Ein Meister Kaffee in Ragösen
Die bisherige Tour entlang der Plane führte uns zuletzt durch die Niederung in die einst sächsische Ortschaft Ragösen.
Pause beim Landbäcker Krause
Nachdem die Friedenseichen thematisch „gegessen“ sind (s. MR No41), geht es wieder zurück zur Hauptstraße. Dort fällt unser Blick auf die Dorfkirche, die mit ihrem Fachwerkturm zwar ganz hübsch aussieht, aber in ihrer jetzigen Ausgestaltung im Wesentlichen Ausdruck des frühen 20. Jahrhunderts ist. Ihr ahnt es vielleicht schon: Das interessiert mich nicht sonderlich. So geht es gleich weiter. Von der durch die randliche Hanglage am Flämingrand leicht erhöhten Bahnhofstraße (B 102) hat man dann einen wirklich attraktiven Blick auf den noch sehr ländlich wirkenden Westrand des Straßendorfes, der von klassischen Hofgebäuden und Nutzgärten geprägt wird.
Am Ausgang von Ragösen stoßen wir dann schon wieder auf eine Bäckerei, nämlich die Landbäckerei Krause. So eine hohe Bäckerdichte ist für Brandenburg sehr bemerkenswert. Auf einem Werbeschild wird ein „großer Kaffee” für 1 € angeboten. Nach dem Werbeschild erwartet einen hier sogar ein Meister Kaffee. Wow. Auf Kaffee bzw. einen Schuss Koffein habe ich jetzt wirklich Bock. Also anhalten und rein in die Landbäckerei.
Der Meister Kaffee wird hier leider nicht frisch gemacht, sondern kommt aus der Warmhaltekanne, aber was willst du für 1 € schon erwarten? Die Fachverkäuferin bemerkt beim Eingießen des Meister Kaffees trocken, ich solle meckern, wenn der zu kalt ist. Na, da weiß ich wenigstens, was mich erwartet. Ob mein Gemeckere dann irgendwelche Folgen hätte, bleibt im Unklaren. Gespannt führe ich die Tasse zum Mund. Kalter Kaffee ist es zwar noch nicht, aber heißer noch viel weniger. Da ich inzwischen doch etwas müde bin, ergebe ich mich in mein Schicksal und lasse das belebende Koffein in lauwarmer Form auf mich wirken – und meckere nicht. „Geht gerade so“, höre ich mich diplomatisch sagen. Die Fachverkäuferin wiederholt es eintönig: „Geht gerade so”. Aber dabei bleibt’s. Kommt wohl nicht in Frage, mir den lauen Kaffee nun zu spendieren oder wenigstens – noch – billiger zu verkaufen. Aber was soll’s, so verbuche ich diesen Euro für mich als Strukturförderungsmaßnahme oder Solidarbeitrag für existenzbedrohte Landbäckereien, denn so eine Bäckerei auf dem Lande hat’s ja sicherlich auch nicht leicht.
Während ich meinen lauwarmen Kaffee doch irgendwie genieße, kommen wir etwas ins Gespräch. Ich erfahre, dass neben diesem Betrieb noch ein Fleischer (!) in Wiesenburg mit Backwaren beliefert wird. Insgeheim hoffe ich, dass dort die Brötchen nicht als Buletten verkauft werden. Eine Tante von mir nannte Buletten nämlich immer Fleischbrötchen, womit wir ja nicht so weit davon entfernt sind, dass diese Dinger gleich vom Bäcker kommen. Auf meine Frage, wie das Geschäft denn so laufe, kommt die übliche Antwort: Es könnte besser sein, aber immerhin, man komme über die Runden. OK, das mit der Strukturförderung geht also in Ordnung, das war meine gute Tat fürs Landbäckervolk. Und ein lauwarmer Kaffee bringt mir dann doch mehr als eine Spende für irgendeinen Suffkopp in der Berliner S-Bahn, auch wenn das sozialpolitisch nun überhaupt nicht korrekt ist. Zum Abschluss nehme ich mir dann noch zwei Stück Kuchen mit. Wirklich bemerkenswert ist das Rumtörtchen, das zur oberen Klasse dieser Backwarenkategorie gehört und überhaupt nicht nach aufgebretzelten Kuchenresten schmeckt. Erwähnt sei auch der „Kaffee-Kuchen“, der aber nur so heißt und nichts dergleichen in seinen Bestandteilen führt. Dafür enthält er im Rührteig einen „Blubb Quark”, wie mir die Fachverkäuferin stolz erläutert. Warum er Kaffee-Kuchen und nicht etwa Blubb-Kuchen heißt, ist mir dann doch ziemlich egal. Ob die Welt so einen Kuchen woanders schon gesehen hat, das weiß ich nicht, aber ich bilde mir seine Einzigartigkeit gerne ein und kann von einem genussvollen Verzehr berichten.
So verlasse ich den „Ort, wo Schilf wächst” gestärkt und radle munter Richtung Dippmannsdorf weiter. Laut Ortsschild ist’s bis dahin nur noch einen weiteren Kilometer hin.