lädt…

Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No38 / 16. Juli 2017

Milch, Mohn und Schokolode – Ermunterung in Cammer

Die Tour entlang der Plane hat uns nach Aufenthalten in Göttin, Reckahn, Krahne und Golzow ins Örtchen Cammer geführt.

Milch macht müde Männer*innen munter

Hauptstraße in Cammer

Nachdem wir den Schlosspark und das verschwundene Schloss Cammer besichtigt – oder eben nicht besichtigt – haben, geht es zurück in den Ortskern, wo uns der kleine „Lebensmittelmarkt G. Eschholz” auffällt. Und schon stellt sich ein drängendes Durstgefühl ein. Wir sollten uns allerdings nicht zu früh freuen, denn meist stößt man in solchen kleinen Orten auf verwaiste oder geschlossene Läden, bestenfalls auf Läden, die nur sehr beschränkte Öffnungszeiten haben, die man dann mit traumwandlerischer Sicherheit (fast) immer verfehlt – und sei es nur um wenige Minuten. Dass man den Läden von außen nicht ansieht, ob sie geöffnet haben oder nicht, sagt erfahrungsgemäß gar nichts aus, das ist im Lande so üblich. Also, ein Versuch kostet nichts.

Überaschenderweise lässt sich die Tür öffnen: Klingeling. Verblüfft blicke ich in ziemliche Dunkelheit, fast fühle ich mich wie am Eingang einer Höhle. Nachdem sich meine Augen an das Höhlenlicht gewöhnt haben, eröffnet sich mir ein breites Warenspektrum. Hier ist nahezu alles zu haben, was man für den täglichen Bedarf benötigt. Alle Achtung! Allerdings beginne ich angesichts der Dunkelheit und Stille daran zu zweifeln, dass der Laden wirklich geöffnet hat bzw. geöffnet sein soll. Möglicherweise hat der Besitzer nur vergessen, die Ladentür abzuschließen. Mein Zweifeln wird mit dem Erscheinen eines sehr freundlichen älteren Herrn aus der Tiefe des dunklen Raumes und seiner freundlichen Nachfrage nach meinem Begehr dann schnell beendet. „Ich hätte gern was zu trinken”. „Das Bier steht hier”, kommt die schnelle Antwort, während Herr Eschholz auf die in der Mitte des Raumes stehenden Bierkästen zeigt. Ich zucke kurz zusammen und frage mich besorgt, ob der gute Mann mich vielleicht für einen Trinker hält? Aber ein Bierchen macht ja noch keinen Trinker, denke ich mir mich selbst beruhigend. Allerdings steht mir im Moment der Sinn nun wahrlich nicht nach Bier, oh nein, dann wäre ich ja sofort bedüdelt und schläfrig. Außerdem lechze ich nach etwas Gekühltem. Aber da ist die Auswahl bei Herrn Eschholz dann doch nicht so groß, was allerdings der Regelfall im Lande ist. Selbst größere Supermärkte führen in der Provinz keine gekühlten Getränke. Das bieten hier leider nur Tankstellen. Also kann man das auch nicht von einem Dorfladen erwarten. Da fällt mein Blick auf das Kühlregal für Milchprodukte. Das ist es, ein Liter kühle Landliebemilch erscheint mir jetzt genau richtig. Milch macht schließlich müde Männer munter, wie einmal ein markanter Werbespruch der Milch verarbeitenden Wirtschaft lautete. Heute wäre so ein Spruch ja nicht mehr korrekt, schließt er den Großteil der Menschheit aus seiner Botschaft doch einfach aus. Also, Männer*innen, macht euch munter! Da kommt mir die Frage in den Sinn, ob Sojamilch auch munter macht? Wollen wir mal hoffen! Dabei dürfte der Begriff Soja-MILCH nach dem aktuellen Urteil des Europäischen Gerichtshofes gar nicht mehr so genannt werden. Die Welt wird auch nicht gerade einfacher …

Bloß kein Jammer in Cammer!

Beim Bezahlen kommen wir kurz ins Gespräch. Ist nicht einfach, hier einen Laden zu betreiben. Wenn er nicht bald in Rente ginge, hätte Herr Eschholz wohl schon aufgehört. Dann ist es wohl bald vorbei mit dem Lebensmittelmarkt in Cammer. Na ja, noch eine Chance bestehe, denn es gibt eine Interessentin, die den Laden übernehmen möchte. Wäre doch ein Jammer in Cammer, wenn dieser Laden verschwände. Ich wünsche Herrn Eschholz und Cammer jedenfalls viel Glück. Eigentlich müsste so ein Laden unter Denkmalschutz stehen, in Betrieb versteht sich. Also, wer so einen urigen Dorfladen nochmal erleben möchte, dem sei ein Besuch in Cammer dringend empfohlen (allerdings kann MARK RADLER nicht garantieren, dass er noch besteht).

Dorfkirche Cammer

Die kühle Milch tut wirklich gut. Von der Milch ermuntert, geht die Erkundung Cammers weiter. Keine 150 m südöstlich vom Dorfladen befindet sich die Dorfkirche von Cammer. Es ist ein lang gestreckter schlichter Saalbau mit Westturm. Alles ordentlich verputzt. Leider, denn unter dem Putz verbirgt sich offensichtlich noch ursprüngliches Feldsteinmauerwerk. Der Kern der Kirche stammt wohl aus dem späten 14. oder 15. Jahrhundert. In ihrer jetzigen Form – mit verlängertem Saal, den erweiterten Fenstern und mit erhöhtem Turm – wurde sie im 18. und 19. Jahrhundert angelegt. Gewonnen hat der Bau dadurch nicht. Wer mehr über die Dorfkirche Cammer erfahren möchte, sei auf die großartigen Askanier-Welten verwiesen.

Mohnkuchen mit Schokolade zur Milch

Bäckerei Wernitz

Und dann gibt es eine weitere kleine Überraschung. Direkt hinter der Lehniner Straße gibt es an der Hauptstraße von Cammer die Bäckerei Wernitz. Manchmal sucht man auf einer Tour einen ganzen Tag lang einen – offenen – Laden oder Bäcker, und hier in Cammer stolpert man geradezu darüber. Keine Frage, dieses verlockende Angebot muss genutzt werden. Getestet wird Mohnkuchen mit Schokolade. Der ist solide und schmackhaft und passt hervorragend zur kühlen Milch.

Abschied von Cammer

Das war’s dann wohl für heute mit Cammer. Alles in allem war Cammer ganz sicher keine Enttäuschung. Bleibt noch ein Wort zum Ortsnamen nachzutragen. Cammer (ursprünglich Kamere) soll nach dem Ortslexikon aus Belgien (Ter Kameren) stammen und von belgischen Siedlern hierher gebracht worden sein. Ursprünglich soll sich der Name auf eine Person namens Katarina de Kamere bezogen haben. Das hätten wir dann auch geklärt. Und wen es interessiert: In Cammer, genauer gesagt im Gutspark, findet alljährlich im Juli ein Oldtimertreffen (mit Ersatzteilangeboten) statt.

Holländermühle östlich von Cammer

Zum Thema Veranstaltungen möchte ich noch meine Verwunderung äußern, dass noch kein findiger Veranstalter auf die Idee gekommen ist, im Cammer Gutspark „Cammer Konzerte” oder „Cammer Spiele“ zu veranstalten. Da ließe sich doch was machen! Vielleicht sollte sich MARK RADLER diese Namen schnell schützen lassen …

Nach einem Blick auf die Karte steht schnell fest: Von Cammer aus durchqueren wir erneut die Planeniederung, die hier als Belziger Landschaftswiesen bezeichnet wird. Und irgendwo passieren wir dann – endlich – die einstige Grenze zu Sachsen.

Post Scriptum

Richtig, da ist ja noch die Frage nach der einstigen Burg in Cammer offen. Es hat sie tatsächlich gegeben. Noch in einer Kreiskarte von 1777 ist eine oval-runde Anlage mit Wassergraben dargestellt. Somit können wir von einer Wasserburg am Rande des Planetals ausgehen. Und diese Burg befand sich genau an der Stelle, wo später das Gutshaus oder Schloss stand und sich heute der Rodelberg befindet. Rodeln auf der ehemaligen Wasserburg. Das ist doch mal was! Fehlt nur noch der Schnee.

MARK RADLER will return …