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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

Förster Illmann

No16 / 23. Februar 2017

Tatort Krahne

Erfahrung 1 – Krahne (1). Wir schreiben das Jahr 2015. Mark Radler radelt vom südlichen Havelland aus in die Planeniederung Richtung Krahne weiter.

Von Meßdunk, wo ich eines der vielen Weltenenden besucht habe (s. MR No15), sind es nach Krahne, meinem nächsten Ziel, noch etwa 2 km Fahrstrecke. Das ist heute noch locker zu schaffen. Krahne war auf der Informationstafel in Reckahn mit den Sehenswürdigkeiten „ehemaliger Gutshof” und „Blauer Stein” vermerkt. Na, schauen wir mal.

Drei Leichen und ein Waldmeister

Am ansonsten nicht sonderlich erwähnenswerten Wegesrande nach Krahne komme ich an einer Gedenktafel für einen Förster Illmann vorbei. Da ich schon einige recht skurrile Gedenkstätten über Förster(tode) kennengelernt habe, ist meine Neugier geweckt. Das kleine Denkmal erinnert an den gewaltsamen Tod des Gutsförsters und Jagdschutzbeamten Hermann Joseph Paul Illmann im Jahr 1908 nahe dieser Örtlichkeit. Dieser Illmann soll danach bei der Verfolgung oder Stellung zweier Wilddiebe, des 40jährigen Arbeiters Sarow aus Brandenburg und dessen 20jährigem unehelichen (sic!) Sohn Möller aus Göttin, von diesen erschossen worden sein.

Gedenktafel bei Krahne

Ein ungeklärter Fall und Fragen zum angemessenen Gedenken

Nach Lektüre des kleinen Textes habe ich den Eindruck, dass hier ziemlich unkritisch und einseitig die Sicht der einstigen Obrigkeit wiedergegeben wird. Allein der Hinweis auf einen tatbeteiligten unehelichen Sohn verrät einen längst für überwunden geglaubten Standesdünkel unangenehmster Art. Denn welche Absicht liegt der Erwähnung der Unehelichkeit des jungen Herrn Möller zugrunde, wenn nicht dessen Herabsetzung und Stigmatisierung zu einem „minderwertigen Subjekt“? Solch ein Stuss gehört nicht auf eine aktuelle Gedenktafel! Recht seltsam erscheint mir am beschriebenen Vorfall auch der Umstand, dass beide Wilderer erschossen worden sind. Deutet das bei einem Verhältnis von 1:2 nicht darauf hin, dass der Förster das Feuer eröffnet haben dürfte? Handelte es sich hier vielleicht um einen Hinterhalt? Dann wäre die Opferrolle des Försters aus heutiger Sicht doch etwas differenzierter zu betrachten. Noch rätselhafter wird der Fall durch den Hinweis, dass bis heute ungeklärt ist, ob die Wilddiebe durch Illmann oder dessen Waldmeister Gollhardt zu Tode kamen. Da stellt sich die Frage, wieso die Tatbeteiligung des Waldmeisters (was für eine herrliche Berufsbezeichnung!) nie geklärt werden konnte? Hatte Waldmeister Gollhardt die Aussage verweigert, litt er unter Amnesie oder war er einfach verschwunden? Merkwürdig. Und wenn nicht zweifelsfrei geklärt ist, ob die beiden Wilderer durch Förster Illmann oder Waldmeister Gollhardt starben, dann darf bezweifelt werden, dass überhaupt erwiesen ist, dass der Förster durch die Kugeln der Wilderer starb. Fragen über Fragen. Auf jeden Fall ist dieser Fall bisher nicht wirklich aufgeklärt worden. Insofern erscheint es mir angemessener, hier eine Gedenkstätte für alle Beteiligten bzw. das stattgefundene Drama an sich zu installieren.

Ein Drama will erzählt sein

Aber das wär’ doch mal ein Thema! Egal, ob für eine Ausstellung, ein Sach- oder episches Buch, einen Film oder gar eine kleine TV-Serie. Was geschah im Jahr 1908 hier, nahe der Fasanerie Krahne, wirklich? Da stellen sich so viele Fragen: wie wurde damals den Wilderern üblicherweise nachgestellt? Was geschah mit den 28 Wilddieben, die bis zu seinem Tode von diesem Illmann zuvor „gestellt” worden waren? Und was, verdammt nochmal, war mit diesem ominösen Waldmeister Gollhardt, dessen Rolle nie geklärt werden konnte? War dieser möglicherweise an der Wilderei selbst beteiligt und wurde dann zur Verschleierung seiner Mittäterschaft vielleicht zum Mörder, zum Mörder aller drei? Wer kann einen solchen Tathergang ausschließen? Natürlich wäre es in diesem Zusammenhang wichtig, das soziale Milieu aller Betroffenen zu schildern. Nicht zuletzt müsste es auch um die Frage gehen, in welcher Not sich der Arbeiter aus Brandenburg und sein Sohn aus Göttin befunden haben mögen, dass sie das tödliche Risiko der Wilderei überhaupt eingegangen sind? Heimat- und andere Forscher, Dichter und Filmer, hier habt ihr ein ergiebiges Thema.

 

MARK RADLER will return …