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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No30 / 21. Mai 2017

Von Wölfen und Jägergeheul bei Krahne

Beim ersten Besuch in Krahne war Mark Radler einem Gaumenwerk der innovativen Regionalküche in Form eines Bewusstsein-erweiternden Erdbeer-Zwiebel-Streuselkuchens erlegen (siehe MR No19, Erfahrung 1) und nicht mehr dazu gekommen das nahegelegene Naturschutzgebiet „Krahner Busch“ aufzusuchen.  Fast ein Jahr später wird das Verpasste nachgeholt. Erfahrung 3 soll uns nach der Erkundung des „Krahner Busches“ dann entlang der Plane weiter südlich führen.

Die Anfahrt

Erfahrung 3 geht erneut vom Hauptbahnhof der Stadt Brandenburg aus, von wo es im Schnellgang über Göttin und Reckahn bis nach Krahne geht. Die Strecke beträgt etwa 11 km.

Reste der Flämingbahn bei Krahne

Zur Krahne-Plane

Das Naturschutzgebiet „Krahner Busch” liegt südwestlich von Krahne in der Planeniederung, genau genommen zwischen Plane und Temnitz. Vom Ortskern Krahne aus fährt man die „Krahner Hauptstraße” in südwestliche Richtung zur Planeniederung. Dabei passieren wir erneut die Trasse der stillgelegten Flämingbahn, die Teil der Brandenburgischern Städtebahn war. Von dort ist es nicht mehr weit bis zur Plane. Mein erster Kontakt mit der Krahner Plane ist dann ziemlich enttäuschend, zeigt sich die Plane hier doch als schnurgerader Kanal. Naturnahe Bach- oder Flusslandschaften sehen anders aus, da kurvt das Gewässer in verwegenen Kurven reizvoll und vielfältig durch die Landschaft. Hier aber dient die Plane in erster Linie als – die Landschaft möglichst schnell zu entwässerndes – wasserwirtschaftliches Bauwerk. Die beidseitigen – alleeähnlichen – Pappelreihen verstärken den Eindruck eines künstlichen Bauwerkes. Bis in die 1980er Jahre hinein wurde auch die Landschaft vornehmlich mit dem Lineal verplant. Glücklicherweise sind diese Zeiten vorbei.

Die Plane bei Krahne

Planebrücke bei Krahne

An der kleinen Planebrücke wartet auf mich dann eine große Überraschung, denn dort prangt an einem Mast ein dringender „Warnhinweis“. Ich glaube, ich lese nicht ganz richtig, steht da doch:

„Achtung! Wolf-Streifgebiet. Jäger empfehlen, Hunde anleinen und Kinder beaufsichtigen. Die Jägerschaft.”

Das ist kein Scherz! Meine erste Begeisterung darüber, dass ich – trotz Lineal-gerader Krahne-Plane – nun doch in der echten Wildnis angekommen bin, weicht großer Verwunderung. Ich frage mich, was uns diese Warntafel eigentlich vermitteln will, wenn nicht Furcht und Angst vor’m „bösen Wolf“? Sicher nicht zufällig spricht die liebe Jägerschaft besorgte Muttis und Pappis und Hundehalter an. Wenn nicht die Sorge um ihre Lieblinge, was sollte besorgte Menschen sonst in Angst und Schrecken versetzen? So weit, so ganz geschickt. Die Sache hat aber einen entscheidenden Haken: Es fehlen die Fakten. Denn wann ist seit Rotkäppchen in Deutschland ein Kind von einem Wolf angefallen bzw. „gefressen“ worden? Ich kann mich an keine entsprechenden Meldungen erinnern und kann auch – später – im Internet dazu keine Belege finden. Sicher, frei weidende Tiere (Schafe, Ziegen, Kälber usw.) werden immer wieder mal von Wölfen gerissen, aber Vorfälle mit Menschen sind seit der natürlichen Wiederansiedlung der Wölfe in Deutschland nun mal definitiv keine belegt. Aber dafür finden sich im Internet offizielle Zahlen der Jagdunfallstatistik. Danach sind allein im Zeitraum von 1998 bis 2011 in Deutschland 276 Menschen durch Jagdunfälle zu Tode gekommen. Bilanz: 276 Todesfälle durch Jagdunfälle (Verursacher: Jäger) in nur 13 Jahren gegen Null Todesfälle durch Wölfe bis heute. Das sind die Fakten. Bei den Jagdunfällen kommt ganz sicher noch eine beträchtliche Zahl an Verletzungen hinzu. In diesem Zusammenhang sei ganz aktuell auf den Jagdunfall bei Nauen (im Jagdrevier Tietzow) im September 2015 hingewiesen. Dort hatte ein Jäger – und kein Wolf! – bei der Wildschweinjagd gegen 20 Uhr versehentlich auf einen Mann und eine Frau geballert, die sich am Rande eines Feldweges friedlich niedergelassen hatten. Der Mann verstarb (verblutete) noch am Tatort, die Frau wurde verletzt.

 

Also, liebe Jägerschaft, da wären doch wohl Schilder mit folgendem Inhalt eher angebracht: “Achtung! Jäger-Streifgebiet. Wir empfehlen, Jäger anzuleinen und zu beaufsichtigen.” Oder so ähnlich. Dabei will ich klar bekennen, dass in unserer Kulturlandschaft die Jagd als Wildregulierung notwendig ist, und dafür braucht man – kompetente – Jäger. Aber ganz sicher keine „Knallchargen“, die Fakten ignorieren und üble Stimmungsmache betreiben. Eine ganz andere Frage ist, ob die unerwartet starke Vermehrung der Wölfe langfristig nicht auch eine Regulierung dieser Tierart erforderlich machen wird, denn der besiedelbare Raum ist nun einmal begrenzt. Dieses Problem kann allerdings nur auf der Grundlage von Fakten gelöst werden – und nicht mit schaurigem Jägergeheul. Das Heulen sollten wir besser den Wölfen überlassen.

Tja, habe ich mich wohl zu früh gefreut. Ist dann doch eher unwahrscheinlich, dass mir hier ein Wolf über den Weg läuft. Dann schon eher ein Jäger, was heißt, dass ich hier besser nicht bis zur Dämmerung bleibe. So spute ich mich, obwohl es ja noch Vormittag ist.

Noch eine abschließende Anmerkung zum Wolf: Auf dem nahe gelegenen Truppenübungsplatz Brück/ Lehnin wurden Wölfe erstmals im Jahr 2009 gesichtet, inzwischen lebt hier ein Wolfsrudel, das natürlich auch die Umgebung durchstreift.

MARK RADLER will return …

Der „Krahner Busch“