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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No69 / 6. Mai 2018

Höhenkoller in den Briesener Bergen

Nachdem wir kleines und großes Briesen kennengelernt haben (s. MR No66 ff ) ist die Mission unserer vierten Erfahrung erfüllt. Da lockt aber noch die Aussicht einer lohnenden Aussicht.

Zum Aussichtsturm

Schöne Aussichten

Auf dem Hinweg hatte uns nämlich bei Klein Briesen ein Hinweisschild auf einen nördlich gelegenen Aussichtsturm verwiesen. Angesichts der Tatsache, dass wir uns hier am Rand des Hohen Flämings zum Baruther Urstromtal befinden, lässt dies eine sehenswerte Aussicht erwarten. Also geht’s erstmal zurück Richtung Klein Briesen und von dort zum ca. 2 km Luftlinie entfernten Turm, der in – oder besser auf – den Briesener Bergen steht.

Weg in die Briesener Berge

Der Aufstieg in die Briesener Berge erweist sich dann – zumindest mit dem Fahrrad – als ausgesprochen mühselig. Dies liegt zunächst daran, dass der markante Höhenzug an seinen höchsten Stellen glatt die 100 Metermarke (!) überschreitet, was – auf den Brandenburger Flachlandmaßstab hochgerechnet – etwa 1000 gefühlten Höhenmetern (gHm) entspricht. Die große Mühsal wird aber noch dadurch verstärkt, dass es sich beim „Bergpfad“ um einen endlos geraden und breiten Sandweg handelt, der zu einer physischen wie auch mentalen Herausforderung erster Güte wird. So schiebe ich ächzend mein Stahlross (Drahtesel wäre doch eine arge Beleidigung) über etwa 32 Höhenmeter (= 320 gHm) in die Briesener Berge hinauf.

 

Der öde Anblick endlos monotoner Kiefernplantagen beiderseits des Weges muntert mich dabei wahrlich nicht auf. Das ist die gräuliche Seite Brandenburgs, fühle ich Kräfte schwindend. Hier würde ich auch nicht gerne wandern, aber mit dem Rad gibt es – in diesem tiefen Sand – nur noch als ausgeprägter Masochist etwas zu genießen: nämlich das eigene Leiden.

Wenigstens ist hier kein – zynischer – Heimatwitzbold auf die Idee gekommen, dass als Briesener Schweiz anzupreisen. Das fehlte wahrlich noch.

Mir selber Mut machend, erwarte ich in meiner wachsenden Verzweiflung eine spektakuläre Aussicht zur Belohnung. Denn so lautet doch eine Wander- oder Radlerregel: je mühseliger der Weg, desto lohnender das Ziel. Also, nicht verzagen, weiter kraxeln (radeln geht ja gerade nicht).

 

Erdflechten auf kargem Sandboden

Wer suchet, der findet

Leider findet sich dann auf dem erreichten Höhenkamm kein weiteres Hinweisschild auf den Turm der schönen Aussicht mehr. Aber das ist ja ein gewohntes Spiel im holden Brandenburg, dass die Ausschilderung der Wege oftmals gerade dann endet, wenn man sie wirklich braucht. Ich will aber nicht noch tiefer ins Jammern verfallen und sporne mich daher selbst mit der herausfordernden Suche nach der schönen Aussicht an. Wäre doch gelacht. Allerdings vergeht mir das Lachen dann doch wieder, denn in mir kommt so eine böse Ahnung auf: vielleicht gibt’s den Turm gar nicht. Oder wenn doch, dann ist er möglicherweise gesperrt, vielleicht nach jahrelangem Rumstehen noch immer nicht eröffnet. Schon vor Jahren geplant und gebaut entsprach er dann vielleicht den neusten Sicherheitsbestimmungen nicht mehr oder es wurden ganz einfach Stufen und Geländer vergessen und die Sache war dann nicht mehr genehmigungsfähig (wie komme ich nur auf solche abstrusen Gedanken?).

Da bemerke ich, dass die Sonne durch den lichten Kiefernschirm erbarmungslos auf meine bereits kochende Birne brennt. Vielleicht ist das bei über 1000 gefühlten Höhenmetern der erste Höhenkoller meines Lebens. Dem Himmel so nah. Ist die Luft hier oben nicht wirklich schon ziemlich dünn? Mein Herz beginnt heftig zu pochen. Jou, das war’s dann wohl. Da vernehme ich auch noch den Ruf eines Raben. Raben, gelten die nicht als Boten des Todes? Wenn das kein deutliches Zeichen ist. Aber mir kommt augenblicklich der groovige Sound von Corvus corax in den Sinn. Und schon sind meine Lebensgeister wieder erwacht. Und es brüllt in mir zu Trommeln und Dudelsack: reiß dich zusammen, es gibt noch so viel zu erleben (in Brandenburg). Und ich hole tief Luft und gehe – meinem Instinkt vertrauend – Richtung Westen, was auf diesem Höhenkamm nicht politisch verstanden werden soll.

 

Nach gut 300 Metern stehe ich dann vor dem stählernen Turm – und zucke erstmal zusammen.

Wir werden angegriffen!

Aussicht auf eine schöne Aussicht?

 

Nach dem ersten Schrecken macht sich dann doch Erleichterung in mir breit. Auch wenn der Turm etwas bedrohlich daher steht, so steht er immerhin ganz real da und kann sogar erstiegen werden. Wunder gibt es immer wieder. Gerade auch in Brandenburg (später lese ich im Internet, dass auch andere Aussichtsuchende ihre liebe Müh’ hatten und haben, den Turm der schönen Aussicht zu finden. Manche fanden ihn gar nicht).

Geschafft

Schritt für Schritt der Aussicht entgegen

 

Dann geht’s mit großer Erwartung den Turm hinauf. Es braucht allerdings eine Weile bis man die Funktion des Turmes halbwegs nachvollziehen kann, denn erst auf den letzten Metern ist es einem vergönnt, über die dürren Kiefernwipfel in die Weite des Landes zu blicken. Und auch das nur ziemlich knapp. Und auch das eigentlich nur in Richtung Nordosten. Ansonsten wird der Blick auch hier oben von stramm und eng beieinander stehenden Kiefern begrenzt. Aber wenn man Zoom oder Fernglas bemühen kann, dann ist der Blick übers oder ins Tal, das Baruther Urstromtal, schon etwas erhebend.

 

Was für eine Aussicht!

Immerhin ein Streifen Aussicht

Herangezoomte Aussicht

 

Trotzdem komme ich ins Sinnieren: irgendwo dort muss der Hammerdamm liegen, dort wo das große Eisenerzlager abgebaut (s. MR No32) und im Eisenhammer bei Klein Briesen verarbeitet wurde (s. MR No65). Lange ist das her.

Bleibt als Fazit festzustellen: so richtig umgehauen hat mich diese Turmaussicht nicht, ein befreiendes Gefühl blieb mir versagt. Die Kiefern wirken doch sehr beengend. Und wenn nicht bald was gemacht wird, dann ist auch diese bescheidene Aussicht in Bälde zugewachsen.

 

Aussicht auf wachsende Kiefern

 

Dann wäre das nur noch ein Kiefernwipfelturm. Aber das wäre ja schon wieder urkultwürdig: ein Aussichtsturm ohne Aussicht.

MARK RADLER will return …