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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No27 / 1. Mai 2017

Wallfahrt nach Reckahn

Beim ersten Besuch in Reckahn war Mark Radler auf der Suche nach einem slawischen Ringwall am Gänsegraben bei Reckahn auf rechteckige Wallreste gestoßen – und dadurch leicht verwirrt (s. MR No12). Bei der späteren Recherche ergab das Studium „schlauer Bücher“ recht schnell, dass sich an besagtem Gänsegraben zwei unterschiedliche – vom Graben getrennte – Wallanlagen befinden. Bei der westlich des Grabens gelegenen Anlage handelt es sich um den gesuchten Ringwall. Grund genug, eine zweite Radtour zu den Reckahner Wallanlagen zu machen. Mit digitaler Hilfe (topografischer Karte, Luftbild und digitalem Geländemodell) war die ZweitReise zielführend vorbereitet.

Ringwall von Südwesten

Zweitreise nach Reckahn

Auch die Zweitreise ging von Brandenburg aus (mit dem RE1 von Berlin) und führte nach etwa 10 km über Göttin und Reckahn zum gesuchten Burgwall. Durch Karte und Luftbild konnte vorher nicht eindeutig geklärt werden, ob es ohne größere Schwierigkeiten möglich sein wird, den etwa 5 m breiten Gänsegraben zu überwinden. Auf dem Luftbild ist zwar 250 m südlich der Wallanlagen eine Überführung über den Gänsegraben erkennbar, ob diese aber intakt und zugänglich ist, war nicht klar ersichtlich.

Über eine Brücke musst du gehen

Mit Erleichterung stelle ich im Gelände dann fest, dass die kleine Brücke über einen Wiesenweg frei zugänglich und auch noch intakt ist, so dass ich innerhalb weniger Minuten vor dem slawischen Ringwall stehe. Es ist ein erhabener Moment, fast fühle ich mich wie ein erfolgreicher Schatzsucher. Und meine Schatzkarte samt Beschreibung stammt aus dem „Handbuch vor- und frühgeschichtlicher Wall- und Wehranlagen Groß-Berlins und des Bezirkes Potsdam” von Joachim Herrmann aus dem Jahre 1960. Ja, es hatte mich im Winter voll gepackt, und ich habe mir antiquarisch das Standardwerk über die hiesigen Burgwälle besorgt.

Der slawische Ringwall von Reckahn

Die innere Wallanlage wird von den alten Eichen markiert

Im Handbuch wird westlich des Gänsegrabens ein kreisförmiger flacher Hügel von ca. 50 m Durchmesser und ein umlaufender – bis zu 15 m breiter – Graben beschrieben, der im Osten in den Gänsegraben führt. Der Horst ragt demnach bis zu 2 m über dem Gelände auf, der Graben liegt mit der Sohle ca. 50 cm unter dem umliegenden Wiesenniveau. Und das ist alles tatsächlich im Gelände noch heute zu sehen.

Erhöhter Wall mit Graben im Vordergrund

Deutlich erkennbarer Wall

Graben mit Röhricht und Weiden

Der Graben ist noch immer nass und teilweise versumpft, vermutlich temporär sogar überstaut und wird daher von Röhrichtvegetation – und vor allem nach Süden hin von Weidengehölzen eingenommen. Der Wall selbst wird von mehreren beeindruckenden mehrhundertjährigen Alteichen geprägt, die der Anlage eine geheimnisvolle, ja geradezu majestätische Aura verleihen.

Alte Eichen prägen die Wallanlage

Diese Wallanlage ist im Zusammenhang mit der nahegelegenen Wüstung „Düster Reckahn” zu sehen, die aufgrund historischer Scherbenfunde als spätslawisch (und frühdeutsch) eingestuft wird. Damit ist nicht nur das Ur-Reckahn als slawische Gründung des 11. oder spätestens frühen 12. Jahrhunderts einzustufen, sondern wir können auch davon ausgehen, dass unser Ringwall aus dieser Zeit stammt und von Slawen errichtet wurde und demnach über 900 Jahre alt ist.

 

Da am Reckahner Burgwall bisher bedauerlicherweise keine archäologischen Grabungen durchgeführt wurden, liegen über die Anlage auch keine genaueren Erkenntnisse vor. Aufgrund der Größe, der spätslawischen Zuordnung und der Nähe zu einer slawischen Siedlung (Duster Reckahn) ist hier ein slawischer Fürstensitz denkbar. Spätestens mit der Eroberung der Brandenburg durch Albrecht den Bären Mitte des 12. Jahrhunderts dürfte auch in Reckahn die slawische Herrschaft zu Ende gegangen und die Wallanlage in deutsche Hände gefallen sein.

Deutsche Eroberer

In der nahegelegenen Siedlung „Duster Reckahn” ist jedenfalls die Ansiedlung deutscher Siedler in frühdeutscher Zeit archäologisch belegt. Für die Übernahme der Burg durch deutsche Adlige spricht auch, dass in alten Flurkarten der Bereich der Wallanlage als „Schlossberg” und „Schlosswall” bezeichnet wird, was eine damals übliche Bezeichnung für einen befestigten deutschen Herrensitz war. Ob die östlich des Gänsegrabens gelegene rechteckige Wallanlage, die wir im Sommer 2015 „entdeckt” hatten, als frühdeutscher Burgausbau interpretiert werden kann, wie das Joachim Herrmann tat, bleibt ohne archäologische Grabungen allerdings sehr spekulativ. Zu Recht weisen Autoren inzwischen auf die militärischen Aktivitäten um Reckahn in der Neuzeit hin, wie z.B. das Heerlager im Jahr 1741 (s. MR No8), bei denen in der Gegend möglicherweise moderne Schanzenanlagen (z.B. für Kanonenstellungen) zur Sicherung des Lagers oder auch nur zur Übung der Truppe angelegt worden sein könnten.

Gänsegraben mit Blick auf den jüngeren (frühdeutschen?) Wall

Die jüngere (frühdeutsche?) Wallanlage

Ein Theodor und das neue Reckahn

Urkundliche Erwähnungen eines „Theodoricus miles de Recken” (1227) und „Theodoricus de Reckan” (1259) weisen auf einen frühen deutschen Herrensitz in Reckahn hin. Ob sich diese Erwähnungen noch auf den alten Schlosswall am Gänsegraben oder bereits auf das „neue Reckahn” beziehen, ist nicht geklärt. Dagegen ist sicher, dass die alte Siedlung, deren Standort in historischen Karten als „Duster Reckahn” und heute als „Dorfstelle Duster Reckahn” bezeichnet wird, spätestens im frühen 13. Jahrhundert aufgegeben wurde und dann wüst fiel. Die Gründe für die Aufgabe sind nicht bekannt. Möglicherweise war die alte Siedelstelle in der Planeniederung einfach zu klein geworden, aber es gibt auch Hinweise auf das Wirken der Pest. Am heutigen Ort, am Rande der Planeniederung, wurde dann das „neue Reckahn” gegründet, das 1351 als „Rickan” urkundlich erstmals Erwähnung fand. Man kann davon ausgehen, dass in diesem Zusammenhang dann auch die alte Schloss- oder Burganlage am Gänsegraben, die vermutlich noch immer nur aus Holz und Lehm bestand, aufgegeben wurde und vermutlich im Bereich des heutigen Schlosses ein neuer Herrschersitz angelegt wurde. Eine bei Herrmann aufgeführte historische Karte von 1777 zeigt einen solchen möglichen Burgstandort (mit Wassergraben) am Südrand der heutigen Gutsanlage auf. Interessanterweise heben sich im Digitalen Geländemodell noch heute entsprechende rechteckig-quadratische Geländestrukturen ab, die allerdings auf ein recht kleines Gebäude nach Art eines „festen Hauses“ schließen lassen. Umso verständlicher ist es, dass die von Rochows 1605 ein – für damalige Verhältnisse – repräsentatives und komfortableres neues Gutshaus errichten ließen, nämlich das heute so genannte „Alte Gutshaus” mit dem repräsentativen Renaissancegiebel (s. MR No11).

MARK RADLER will return …