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Mark Radler

Notizen aus der Provinz

No51 / 22. Oktober 2017

Über Nitzow und Toppel nach Havelberg

Wie in Teil 1 von „Havel rauf“ verkündet (MR No28), wollen wir vom Havelende bei Gnevsdorf etappenweise die Havel aufwärts bis zur Quelle erkunden. Zuletzt hatten wir in Teil 3 (MR No50) das zweite Teilstück zwischen der Wehrgruppe Quitzöbel und Havelberg mitten durch die Elbe-Havel-Aue zurückgelegt. Dieses Mal nutzen wir die nordöstliche Route, die uns bald auf die Prignitzer Hochfläche und dort durch die Ortschaften Nitzow und Toppel führt. Nach gut 10 km werden wir Havelberg erreichen.

Von der Havelniederung aufwärts in Prignitzer Höhen

Alter Havelort mit Blick auf die Prignitzer Hochfläche

Zunächst fahren wir in der Walddeckung am Rand der von Wiesen geprägten Havelniederung entlang, die hier in historischen Karten als „Die Sühre“ bezeichnet wird. Tief in der Niederung sehen wir einige PKW im Sonnenschein blitzen. Da sind sicherlich gerade Havelangler aktiv, wenn man Angeln überhaupt als Aktivität akzeptieren möchte, die mit ihren Blechkisten direkt bis zu ihren bevorzugten Angelstellen fahren (müssen). Dabei stellen sich Angler doch so gerne als entsagungsreiche Naturfreunde dar, aber so viel Bequemlichkeit muss schon sein …

Die Sühre

Der Weg führt dann nicht weiter entlang der Havel, denn hier liegt uns ein so genannter Wasserübungplatz der Bundeswehr im Wege. Weiter nördlich schließt sich das große Areal des von der Wehrmacht um 1940 eingerichteten Truppenübungsplatzes Glöwen bzw. Havelberg-Nitzow an. Klar, dass diese Areale für uns gesperrt sind. Dazu sei noch angemerkt, dass in Havelberg auch noch das dazu passende Panzerpionierbataillon 803 der Bundeswehr stationiert ist.

Erinnerungskultur – KZ Außenstelle Glöwen

Gedenkstätte für das KZ-Außenlager Glöwen

Man spürt es bald am nötigen Pedaldruck, dass wir inzwischen aufwärts treten, denn der Weg führt uns nun auf die Prignitzer Hochfläche. Kurz nachdem wir auf die L10 eingebogen sind, kommen wir an einer kleinen Gedenkstätte für das Zwangsarbeiter- und KZ-Außenlager Glöwen vorbei. Wir erfahren auf einer kleinen Infotafel, dass hier zwischen 1940 und 1944 ca. 3.000 Zwangsarbeiter, vorwiegend Kriegsgefangene aus dem Osten, die im damaligen Nazi-Deutschland im Rahmen der Kriegswirtschaft übliche Sklavenarbeit verrichten mussten. Im Jahr 1944 wurde bei Glöwen dann noch eine Außenstelle des KZ Sachsenhausen eingerichtet, in dem bis zum April 1945 knapp 800 jüdische Gefangene interniert waren.

Die kleine, sehr bescheidene Gedenkstätte wurde erst 2004 eingerichtet und wird seitdem von Schülern der Elbtalgrundschule in Bad Wilsnack gepflegt. Das nenne ich Erinnerungskultur im Kleinen. Es wird ja bedauerlicherweise auch im Deutschen Bundestag bald einige Schwachköpfe geben, die diese Art von Erinnerungskultur schandhaft finden. Ich bleibe aber optimistisch, dass diese Landserheft-Kulturträger letztlich an ihrer Dummheit scheitern werden.

Über 1000 Jahre Nitzow

Spätgotische Dorfkirche Nitzow

Direkt hinter der kleinen Gedenkstätte fahren wir wieder in das Bundesland Sachsen-Anhalt ein. Kurioserweise gehört ein kleiner Teil der überwiegend im Land Brandenburg gelegenen Prignitz inzwischen zum Bundesland Sachsen-Anhalt. Im Grunde radeln wir hier aber in urmärkischen Gefilden. Schon nach etwa 500 Metern erreichen wir das Prignitzdorf Nitzow an der Havel. Der Name verweist mal wieder auf slawische Ursprünge und bedeutet so viel wie „Leute, die in der Niederung wohnen“. Dies mag für die slawische Urbevölkerung gegolten haben, der deutsche Siedlungskern liegt dagegen auf bzw. am Rand der Prignitzer Hochfläche.

Dorfkirche mit Gemeindehaus

Der alt- bis jungslawische Ort Nitzow wurde bereits in der Stiftungsurkunde des Havelberger Bistums 948 erstmals urkundlich als civitas Nizem erwähnt und zählt damit zu den ältesten erhaltenen Siedlungen der Region. Der Begriff civitas weist auf eine wichtige Burg mit Burgbezirk hin. Nitzow (samt Burg) wurde in dieser Urkunde von König Otto I. dem neu gegründeten Bistum Havelberg übereignet. Noch 1150 wird Nitzow als civitas bezeichnet, verliert dann aber an der Seite Havelbergs zunehmend an Bedeutung. Die Burg Nitzow, deren Standort nicht überliefert und archäologisch bisher nicht belegt ist, wurde dann wahrscheinlich im 13. Jahrhundert aufgegeben. Die für ein Dorf recht stattliche (Dorf-) Kirche deutet noch heute auf die im Mittelalter größere Bedeutung Nitzows hin. Wie so oft, so ist auch in Nitzow die Dorfkirche das älteste erhaltene Gebäude des Ortes. Ihre ältesten Teile stammen vermutlich aus der Zeit um 1300, so der aus Feldstein errichtete Teil des rechteckigen Westturms. Insgesamt ist das Bauwerk wohl dem 15. Jahrhundert zuzuordnen, also der Spätgotik. Wesentliche Umbauten und Erneuerungen fanden 1860 statt. Wer mehr über den bemerkenswerten Bau erfahren möchte, sei wiederum auf die vorzügliche Webseite Askanier-Welten verwiesen.

Blick von Nitzow über die Havelniederung

Wirtschaftsgebäude in Nitzow

Wohnhaus in Nitzow

In der Mitte Nitzows führt ein gepflasterter Weg zur Havelniederung herab. Noch bis Anfang der 1990er Jahre konnte hierüber eine Havelfähre erreicht werden, die vor allem von der Landwirtschaft zur Bewirtschaftung der jenseits der Havel gelegenen Wiesen genutzt wurde. Allerdings wurden bei Bedarf auch sonstige Interessenten übergesetzt. Nach der Wende war bald Schluss damit. Die letzte Fähre kann hier aber – an Land aufgebockt – noch immer bewundert und sogar betreten werden. Über die Havel kommt man damit allerdings nicht mehr. Die Nitzower haben inzwischen an der alten Fährstelle eine neue Anlegestelle errichtet. Die Hoffnung, dass hier durch die Havelberger Personenschifffahrt Erholungssuchende und Touristen nach Nitzow gelockt werden können, erfüllte sich zum Bedauern der Nitzower bisher nicht.

Letzte Nitzower Fähre

Alte Fährstelle

Havellandschaft bei Nitzow

Havel bei Nitzow

Heuwirtschaft mit altem Deutz-Schlepper

Spätgotik im Toppel

Toppel

Havel bei Toppel

Knapp drei Kilometer südlich von Nitzow liegt das kleine Örtchen Toppel, über das nur wenig in Erfahrung zu bringen ist. Obwohl der Ort zur Stadt Havelberg gehört, finden sich nicht einmal auf der dortigen Webseite sachdienliche Informationen zum Dorf Toppel. In den Askanier-Welten finden wir wenigstens den Hinweis, dass Toppel 1469 erstmalige Erwähnung in einer Urkunde des Havelberger Domkapitels fand. Die Ursprünge der Toppeler Dorfkirche reichen bis in diese Zeit zurück. Nach den Askanier-Welten lassen verschiedene Merkmale wie der hohe Ziegelanteil sowie das sehr unregelmäßige Mauerwerk den Schluss zu, dass die kleine Kirche in ihrem mittelalterlichen Kern wohl ins 15. Jahrhundert zu datieren ist. Das heutige Erscheinungsbild der Kirche wird allerdings von neogotischen Umbauten aus der Mitte des 19. Jahrhunderts geprägt, wobei im Westen ein eingezogener Backsteinturm angesetzt und der kleine Rechtecksaal nach Osten verlängert wurden (Link zu den Askanier-Welten).

Südseite der Toppeler Dorfkirche

Toppeler Impressionen

Havel bei Toppel im April

Havel bei Dahlen

Nach etwa 800 Metern erreichen wir die Ausläufer der Stadt Havelberg, wobei uns zur Linken zunächst vor allem die modernen Bauten der hiesigen Bundeswehrkaserne ins Auge fallen. Auf der südlichen Route (s. MR No50) waren die ersten Blickkontakte mit der Stadt Havelberg zweifellos deutlich charmanter.

Elb-Havel-Kaserne in Havelberg

Blick von Havelberg in die Havelniederung

Alter Ziegelstein aus Nitzow

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