Briesener Wasser: Bachromantik in Brandenburg
Nach dem längeren Intermezzo in der einst sächsischen Grenzstadt Brück geht es endlich in Richtung Hoher Fläming, genauer gesagt zum Briesener Bach hinter Ragösen.
Eine alte Kramerseele am Wegesrande
Die Fahrt von Brück führt uns zunächst am Südrand der Belziger Landschaftswiesen über Trebitz und Baitz in alt bekannte Gefilde (s. MR No39 ff). Daher erspare ich mir – und euch – Beschreibungen der Etappen Baitz, Fredersdorf, Lütte, Dippmannsdorf und Ragösen, die zusammengenommen von Brück bis Ragösen eine Strecke von etwa 20 km ergeben.
Erwähnt werden soll immerhin die Begegnung mit einem schönen, alten Kramer in Dippmannsdorf. Kramer wird euch vermutlich nichts sagen und auch nicht weiter interessieren, aber ich freue mich nun mal über jeden alten Trecker oder Schlepper, insbesondere, wenn er aus den besonders typenreichen 1950er Jahren stammt, wie dieser Kramer Pionier S.
Der ist ja schon fast ein Fossil, dabei gibt es die baden-württembergische Firma Kramer immerhin noch, nur stellt sie inzwischen vornehmlich Baumaschinen – sprich Radlader – her. Wobei ich anfügen möchte, dass so ein Radlader trotz seiner Bezeichnung nicht zum Verladen von Rädern gedacht ist. So ein Ding hat einfach Räder und eben keinen Ketten- oder Raupenantrieb. Das soll wohl der Name vermitteln. Wie auch immer, die Traktorenzeit der Firma Kramer ist jedenfalls schon lange her.
Ich beobachte das ja mit einiger Freude, dass in den letzten Jahren auch in Brandenburg immer mehr historische – westdeutsche – Traktoren aus den 1950er und 60er Jahren zu sehen sind, die für Nebenerwerbslandwirte nicht zuletzt wegen ihrer günstigen Anschaffungskosten und ihrer robusten Bauweise interessant sind.
Um gar nicht erst Missverständnisse aufkommen zu lassen: Ich habe überhaupt nichts gegen Osttraktoren, aber es ist nun einmal so, dass die Firmen- und Typenvielfalt im Westen erheblich größer war, insbesondere in den goldenen 50ern des Treckerbaus, als technischer Nachholbedarf und Wirtschaftswunder zusammentrafen und zu einer seitdem nicht mehr erreichten Traktorenvielfalt geführt hatten.
Das nur so am Rande.
Es schweigt eine Mühle am Bullenbergbach
„Neuland” betreten bzw. befahren wir dann endlich hinter Ragösen, als es in nordwestliche Richtung in die Briesener Straße geht. Und diese führt sogleich leicht aufwärts, was sich für einen Zugang in den Hohen Fläming schließlich auch so gehört. Dabei komme ich erstmal durch den Ortsteil Bullenberg, der auf ein so genanntes Vorwerk zurückgeht, das urkundlich erstmals 1582 Erwähnung fand.
Auf der Suche nach dem Briesener Bach erweist sich der Hinweis auf die so genannte Bullenbergmühle als Volltreffer, auch wenn das Gebäude nicht der romantischen Vorstellung einer verträumten Fachwerkmühle entspricht.
Aber einen stattlichen Mühlenteich gibt es hier schon zu bewundern. Die Urspünge der heute nach dem Bullenberg benannten Mühle geht wohl auf das Mittelalter zurück. Nach der Überlieferung war die Vorgängermühle 1823 abgebrannt, stammte allerdings auch schon nicht mehr aus dem Mittelalter, sondern war um das Jahr 1702 erbaut worden. Es kann daher nicht verwundern, dass das heutige Gebäude, das im Kern um 1837 errichtet wurde, wie ein Gewerbebau des 19. Jahrhunderts aussieht, denn genau das ist es.
Im Jahr 1924 wurde die Mühle vergrößert, wobei der neue Besitzer, ein Berliner Möbelfabrikant, darauf hindeutet, dass die neue Mühle keine Mahlmühle mehr war, sondern für den Betrieb eines Sägewerkes verwendet wurde.
Um 1938 war es dann auch mit der Wasserkraftnutzung vorbei und der Betrieb wurde aus ökonomischen Gründen auf Elektromotoren umgestellt. Dieses Schicksal teilten damals viele Mühlen.
Romantischer Hochfläming mit Quellen und Bächen
Zurück auf der Briesener Straße verfalle ich am Ortsausgang aufgrund der leicht bergigen Landschaft einer anheimelnden Urlaubsstimmung. Zur Linken erstreckt sich dort – entlang des Briesener Baches – ein artenreicher Laubwald, der mit seinen alten Eichen, Hainbuchen, Eschen und Erlen im Kiefern-dominierten Brandenburg – trotz naturnahem Waldumbau – wohl auf ewig etwas sehr Besonderes bleiben wird, sind in den hiesigen Wäldern doch entsprechende Bachauen eine große Seltenheit.
Als ich dann nach etwa 700 Metern anhalte und mich in südliche Richtung zum lockenden Bach durchschlage, da ist es um mich als Bachliebhaber mal wieder geschehen, stehe ich dort doch nicht vor einem der üblichen geradlinigen, nur langsam und modrig dahin sickernden Grabengewässer, sondern ich blicke in einen klaren und – dank eines hinreichenden Gefälles – munter vor sich hin plätschernden Bach.
Dass kurz hinter dem Bach, auf ansteigendem Gelände, schon wieder die Kiefernmonotonie beginnt, blende ich erst einmal aus, denn momentan will ein romantisches Bach- und Mittelgebirgsgefühl genossen werden.
Es ist wirklich nicht verwunderlich, dass dieses schöne Bachtal inzwischen als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde, wobei hier neben dem Bach selbst und seiner Aue nicht zuletzt die ausgiebigen Quellfluren die große Besonderheit dieses Gebietes ausmachen. Solche finden sich vor allem im Bereich des von Süden zufließenden Polsbaches, der von einer so genannten „Wüsten Feldmark Pols” abfließt, was uns darauf hinweist, dass dort einstmals eine Ortschaft namens Pols bestand, die vermutlich im Mittelalter aufgegeben wurde.
Solche wüst gefallenen Orte finden sich im Fläming ja recht zahlreich, aber damit werde ich mich bei einer späteren Tour vertiefender beschäftigen.
Wie gesagt, dieser Polsbach weist eine bemerkenswerte Fülle anheimelnder Quellfluren auf, die ebenfalls Teil des erwähnten Naturschutzgebietes sind.
Aus heutiger Sicht mag es daher überraschen, dass wir uns hier in einem bedeutenden vorindustriellen Gewerbe- wenn nicht gar Industriegebiet befinden. Allein zwischen Klein Briesen und Bullenberg, auf einer Fließstrecke von etwa 4 km, sind mindestens vier – historische – wassergetriebene Anlagen bekannt, darunter drei Wassermühlen und der gesuchte Eisenhammer bei Klein Briesen (s. MR No56).
Ganz paritätisch lagen zwei Anlagen auf brandenburgischem und zwei auf sächsischem Gebiet, denn Klein Briesen bildete hier eine Art Enklave im Sachsenland.
Vor der Erfindung der Dampfmaschine waren solche wassergetriebenen Werke – neben den Windmühlen – die einzig verfügbaren technischen Antriebe und daher von äußerst hoher ökonomischer Bedeutung. Direkt am Zufluss des Polsbaches in den Briesener Bach hat eine dieser Mühlen gestanden. Allerdings ist davon heute nichts mehr zu sehen.
Hinter dem Zufluss des Polsbaches folge ich dem entlang des Briesener Baches verlaufenden Wanderweg weiter in westliche Richtung, auch wenn dieser zum Fahrradfahren nun wirklich nicht ideal geeignet ist. Aber ich erwähnte es schon in einem der vorigen Reiseberichte, dass die Wegbeschaffenheit für mich kein entscheidendes Kriterium ist.
Diesen verwunschenen Bachabschnitt, in dem der Briesener Bach mitunter auf engstem Raum geradezu absurd anmutende Mäander bildet, genieße ich Schritt für Schritt an der Seite meines alten Drahtesels.
Und wen’s interessiert, der sei an dieser Stelle auf einen Wanderbericht der lieben „Wanderjenossen“ verwiesen, die sich von diesem kleinen Bachtal ebenso bezaubern ließen wie der markige Radler.
Übrigens wird der Briesener Bach in der Karte der Preußischen Landesaufnahme als „Briesener Wasser” bezeichnet.
Da bekommt man ja richtiggehend Appetit!